Kettner Edelmetalle
01.06.2025
17:55 Uhr

Merz vor Trump-Treffen: Zwischen Erwartungsdruck und Unterwerfungsvorwürfen

Wenn Friedrich Merz am Mittwoch die Reise nach Washington antritt, trägt er nicht nur den Titel des Bundeskanzlers, sondern auch die Last enormer Erwartungen auf seinen Schultern. Das für Donnerstag angesetzte Treffen mit US-Präsident Donald Trump könnte wegweisend für die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden – oder als peinliche Unterwerfungsgeste in die Geschichte eingehen.

Die Ehre des Blair House: Ein vielsagendes Detail

Dass Merz im prestigeträchtigen Blair House nächtigen darf, dem offiziellen Gästehaus des Präsidenten, wertet die CDU bereits als diplomatischen Erfolg. Der Außenpolitiker Jürgen Hardt sieht darin ein Signal der Wertschätzung für Deutschlands Bemühungen um eine Stärkung der europäischen Verteidigung. Doch reicht diese symbolische Geste aus, um die harten Verhandlungen zu überstehen, die dem Kanzler bevorstehen?

Die Agenda ist vollgepackt mit Konfliktthemen: Ukraine-Krieg, Handelsbeziehungen, Zollpolitik und die Palästinenserfrage. Besonders brisant dürfte die Diskussion über Putins Drohnenterror werden, den Merz als sein „bestes Argument" für weitere Ukraine-Unterstützung ins Feld führen will. Trump wolle Frieden, heißt es aus CDU-Kreisen – doch zu welchem Preis?

Opposition warnt vor Kniefall

Die Sorge vor einem devoten Auftreten des Kanzlers zieht sich quer durch die Oppositionsparteien. „Es wäre fatal, wenn Merz als Bittsteller nach Washington reist", warnt Linke-Chefin Ines Schwerdtner mit ungewöhnlicher Schärfe. Wer Trump die Gelegenheit gebe, werde „sofort aufs Kreuz gelegt". Diese Befürchtung teilt auch BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht, die von „Vasallentreue" spricht und kritisiert, dass Deutschland sich weiter vom „überteuerten Frackinggas" der USA abhängig mache, statt wieder auf günstigeres Pipelinegas – gemeint ist russisches – zu setzen.

Besonders pikant sind Wagenknechts Vorwürfe bezüglich der digitalen Abhängigkeit. Es sei „völlig irre", dass Trump mit Zöllen drohe, während Deutschland seine Verwaltung komplett von „US-Datenkraken wie Microsoft" abhängig mache. Ein Seitenhieb, der die technologische Souveränität Europas grundsätzlich in Frage stellt.

Grüne fordern Rückgrat bei Demokratiefragen

Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger geht noch einen Schritt weiter. Sie fordert Merz auf, nicht zu den „jüngsten Angriffen auf Justiz, Medien und Gesellschaft" in den USA zu schweigen. Eine bemerkenswerte Forderung, die den Kanzler in eine heikle Position bringt: Soll er als Gast seinen Gastgeber für dessen Innenpolitik kritisieren?

Brugger warnt eindringlich: „Wer glaubt, es sei eine kluge Strategie, mit Unterwürfigkeit Donald Trump schmeicheln zu wollen, oder sich von ihm erpressen lässt, wird das schnell bereuen." Die Trump-Administration ignoriere, wie sehr die Sicherheitspolitik in Europa mit jener im Indopazifik zusammenhänge – ein Argument, das die globale Verflechtung der Sicherheitsinteressen unterstreicht.

SPD setzt auf Diplomatie, AfD auf Realismus

Während SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller diplomatisch von einem „richtigen Schritt zur richtigen Zeit" spricht und auf die Betonung gemeinsamer Interessen setzt, schlägt AfD-Chef Tino Chrupalla pragmatischere Töne an. Er fordert Merz auf, als „guter Zuhörer und harter Verhandler" aufzutreten. Höchste Priorität habe die Beendigung des Ukraine-Krieges mit stabilen Sicherheitsgarantien – wobei jede weitere NATO-Osterweiterung unterbleiben müsse.

Die FDP, vertreten durch Parteichef Christian Dürr, hofft auf einen „Impuls für eine neue Phase erfolgreicher Zusammenarbeit". Voraussetzung sei allerdings die Anerkennung eines gemeinsamen westlichen Wertekanons – eine Formulierung, die angesichts der aktuellen Entwicklungen in den USA fast schon naiv anmutet.

Der Drahtseilakt des Kanzlers

Merz steht vor einem diplomatischen Drahtseilakt. Einerseits muss er deutsche und europäische Interessen selbstbewusst vertreten, andererseits darf er die transatlantischen Beziehungen nicht gefährden. Die Erwartungen reichen von harten Verhandlungen über Zölle bis hin zu moralischen Standpunkten bei Demokratiefragen.

Besonders brisant: Die Frage der Energieabhängigkeit. Während Deutschland sich von russischem Gas abgewandt hat, macht es sich nun abhängig von amerikanischem Fracking-Gas – zu deutlich höheren Preisen. Ein Umstand, der nicht nur die deutsche Wirtschaft belastet, sondern auch die Verhandlungsposition schwächt.

Ob Merz tatsächlich als selbstbewusster Vertreter europäischer Interessen auftreten oder sich dem Druck aus Washington beugen wird, bleibt abzuwarten. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass Appeasement selten zum gewünschten Erfolg führt. Deutschland und Europa täten gut daran, endlich eine eigenständige Position zu entwickeln – wirtschaftlich, technologisch und sicherheitspolitisch. Nur so kann man auf Augenhöhe verhandeln, statt als Bittsteller vorzusprechen.

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