Kettner Edelmetalle
23.07.2025
12:04 Uhr

Platzeck-Affäre: Wenn Russland-Verstehen zur politischen Gretchenfrage wird

Die deutsche Politik erlebt wieder einmal ein Schauspiel, das symptomatisch für den desolaten Zustand unserer Außenpolitik ist. Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck steht wegen seiner Russland-Reisen am Pranger – und erhält ausgerechnet von AfD und BSW Schützenhilfe. Was für ein entlarvendes Bild über die Verwerfungen in der deutschen Parteienlandschaft!

Neun Reisen ins Reich des Bösen?

Mindestens neunmal soll Platzeck seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine gen Moskau gereist sein. Die üblichen Verdächtigen aus dem medialen Establishment schäumen vor Empörung. Dabei stellt sich die Frage: Seit wann ist Diplomatie ein Verbrechen? Seit wann ist es verwerflich, Gesprächskanäle offenzuhalten, wenn die Welt am Rande eines größeren Konflikts steht?

Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland bringt es auf den Punkt: Platzeck wolle „die andere Seite verstehen, ohne jede Position der anderen Seite sich zu eigen zu machen". Ein vernünftiger Ansatz, möchte man meinen. Doch in Zeiten, in denen die deutsche Außenpolitik von moralischem Rigorismus und ideologischer Verblendung geprägt ist, gilt bereits das Verstehen-Wollen als Hochverrat.

Die unheilige Allianz der Vernunft

Besonders pikant: Ausgerechnet Sahra Wagenknecht springt Platzeck zur Seite. „Wir sollten mehr Platzeck wagen!", ruft die BSW-Chefin und trifft damit einen wunden Punkt. Während US-Diplomaten selbstverständlich weiterhin mit russischen Vertretern sprechen, gefällt sich die deutsche Politik in moralischer Selbstüberhöhung. Wagenknecht erinnert daran, dass Deutschland als Industriestaat auf bezahlbare Energie angewiesen sei – eine unbequeme Wahrheit, die in Berlin niemand hören will.

„Es gibt nicht zu viele, sondern zu wenige Politiker in Deutschland, die versuchen, den Gesprächskontakt zu Russland aufrechtzuerhalten."

Diese Worte Wagenknechts mögen manchem Establishment-Politiker wie Ketzerei in den Ohren klingen. Doch sie treffen den Kern des Problems: Die deutsche Außenpolitik hat sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr herauskommt.

Die Heuchelei der Empörten

Platzeck selbst verteidigt seine Reisen mit dem Argument, bestehende Kontakte nicht abreißen lassen zu wollen. Ein durchaus vernünftiger Ansatz, möchte man meinen. Doch in der heutigen Zeit, in der Diplomatie durch Twitter-Tiraden und Sanktionsspiralen ersetzt wurde, gilt bereits das Führen von Gesprächen als Verrat an westlichen Werten.

Dabei sollte gerade die Geschichte uns lehren, dass Gesprächskanäle niemals vollständig gekappt werden dürfen. Selbst während des Kalten Krieges, als die Welt mehrfach am Rande eines Atomkriegs stand, hielten Ost und West die diplomatischen Kanäle offen. Heute hingegen wird bereits eine Reise nach Russland als moralisches Versagen gebrandmarkt.

Die neue deutsche Außenpolitik: Moral statt Realpolitik

Was wir hier erleben, ist das Ergebnis einer Außenpolitik, die sich mehr an Gesinnungsethik als an Verantwortungsethik orientiert. Statt nüchtern deutsche Interessen zu vertreten, gefällt sich die Berliner Politik in moralischen Posen. Das Ergebnis: explodierende Energiepreise, eine schwächelnde Wirtschaft und eine zunehmende internationale Isolation.

Besonders bemerkenswert ist, dass Platzeck gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner sowie den früheren CDU-Politikern Ronald Pofalla und Stefan Holthoff-Pförtner bereits im Mai eine gemeinsame Erklärung verfasst hatte. Darin heißt es: „Zu den Grundsätzen guter Außenpolitik gehört es, dass auch und gerade in schwierigen Zeiten von zunehmenden Spannungen, Konflikten und Kriegen, Gesprächskontakte in alle Teile der Welt und auch nach Russland aufrechterhalten werden sollten."

Worte der Vernunft in Zeiten des Wahnsinns. Doch in einem Land, in dem die Außenpolitik zunehmend von grünen Moralvorstellungen dominiert wird, haben solche rationalen Überlegungen keinen Platz mehr.

Ein Symptom des deutschen Niedergangs

Die Causa Platzeck ist mehr als nur eine Personalie. Sie ist symptomatisch für den Zustand der deutschen Politik. Während andere Länder pragmatisch ihre Interessen verfolgen, verliert sich Deutschland in moralischen Debatten. Während China, Indien und selbst die USA weiterhin mit Russland Geschäfte machen, ruiniert Deutschland seine Wirtschaft im Namen einer vermeintlich höheren Moral.

Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet AfD und BSW – also die Parteien am rechten und linken Rand des Spektrums – in dieser Frage die Stimme der Vernunft erheben. Die etablierten Parteien hingegen haben sich in ihrer eigenen Echokammer eingerichtet, in der jeder Kontakt zu Russland als Verrat gilt.

Deutschland braucht dringend eine Rückkehr zur Realpolitik. Eine Politik, die deutsche Interessen in den Mittelpunkt stellt, statt sich in moralischen Posen zu ergehen. Eine Politik, die versteht, dass Diplomatie gerade in Krisenzeiten unverzichtbar ist. Matthias Platzeck mag seine eigenen Motive haben, doch sein Ansatz, Gesprächskanäle offenzuhalten, ist vernünftiger als die selbstgerechte Isolation, die derzeit in Berlin praktiziert wird.

Die Frage ist nur: Wie lange kann sich Deutschland diese ideologisch motivierte Außenpolitik noch leisten? Die Antwort darauf werden die kommenden Monate zeigen. Eines ist jedoch sicher: Der Preis für moralische Überheblichkeit wird hoch sein – und zahlen werden ihn die deutschen Bürger.

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