
Microsoft-gestütztes KI-Startup entpuppt sich als Schwindel: 700 indische Programmierer statt künstlicher Intelligenz
Die schöne neue Welt der künstlichen Intelligenz hat wieder einmal ihre hässliche Fratze gezeigt. Das britische Startup Builder.ai, das noch vor zwei Jahren mit einer Bewertung von 1,5 Milliarden Dollar und prominenten Investoren wie Microsoft und dem Qatar Investment Authority prahlte, musste vergangene Woche Insolvenz anmelden. Der Grund? Ein gigantischer Betrug, der die gesamte Tech-Branche erschüttern dürfte.
Die große KI-Lüge entlarvt
Was als revolutionäre KI-Plattform verkauft wurde, die angeblich maßgeschneiderte Apps in "Tagen oder Wochen" erstellen könne, entpuppte sich als billiger Zaubertrick. Statt künstlicher Intelligenz werkelte hinter den Kulissen eine Armee von über 700 indischen Programmierern, die händisch den Code schrieben. Die versprochene Automatisierung? Pure Fiktion. Die bahnbrechende Technologie? Ein Märchen für naive Investoren.
Bloomberg enthüllte nun die schockierenden Details: Builder.ai nutzte vorgefertigte Templates, die dann von menschlichen Arbeitskräften des Social-Media-Startups VerSe Innovation angepasst wurden. Die Demos und Werbematerialien des Unternehmens stellten die Rolle der KI systematisch falsch dar – ein klassischer Fall von "Fake it till you make it", der diesmal spektakulär gescheitert ist.
Finanzielle Tricksereien im großen Stil
Als wäre der technologische Betrug nicht genug, deckte die Untersuchung auch massive finanzielle Manipulationen auf. Builder.ai soll seine Umsatzprognosen für 2024 um satte 300 Prozent aufgebläht haben. Zwischen 2021 und 2024 betrieben Builder.ai und VerSe Innovation offenbar ein ausgeklügeltes System des sogenannten "Round-Tripping" – sie stellten sich gegenseitig Rechnungen über nahezu identische Beträge aus, oft ohne dass tatsächliche Leistungen erbracht wurden.
"Wir sind nicht die Art von Unternehmen, die Umsätze aufblähen", behauptete VerSe-Mitgründer Umang Bedi und bezeichnete die Vorwürfe als "absolut grundlos und falsch" sowie "diffamierend und unverantwortlich".
Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Builder.ai kassierte in vier Jahren fast 60 Millionen Dollar von VerSe für angebliche Anwendungsentwicklung, während gleichzeitig ähnliche Summen für "Marketing-Dienstleistungen" in die Gegenrichtung flossen. Ein perfekt orchestriertes Karussell, das Investoren täuschen sollte.
Der spektakuläre Absturz
Der Zusammenbruch kam schnell und brutal. Viola Credit, ein Kreditgeber, der dem Unternehmen letztes Jahr 50 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hatte, beschlagnahmte 37 Millionen Dollar von den Konten des Startups. CEO Manpreet Ratia gab zu, dass dem Unternehmen nur noch 5 Millionen Dollar verblieben seien – eingefroren auf indischen Konten und unzugänglich für die Bezahlung der Mitarbeiter aufgrund von Beschränkungen für Geldtransfers aus dem Land.
Die meisten Angestellten mussten entlassen werden. Ein jämmerliches Ende für ein Unternehmen, das noch vor zwei Jahren eine Finanzierungsrunde über 250 Millionen Dollar abschloss und Microsoft als strategischen Partner gewinnen konnte.
Warnzeichen wurden ignoriert
Besonders pikant: Bereits 2019 hatte das Wall Street Journal Zweifel an den KI-Behauptungen des Unternehmens geäußert. Ehemalige Mitarbeiter beschrieben die Operation damals als "nur Ingenieure, keine KI". Die Warnzeichen waren da, doch die Gier nach dem nächsten großen Tech-Wunder machte Investoren blind.
Jetzt ermitteln US-amerikanische und britische Behörden gegen das Unternehmen. Die Frage, die sich aufdrängt: Wie konnte ein derart offensichtlicher Betrug so lange unentdeckt bleiben? Wo waren die Due-Diligence-Prüfungen der Investoren? Und was sagt es über den Zustand der Tech-Branche aus, wenn selbst Microsoft auf einen solchen Schwindel hereinfällt?
Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass in der schillernden Welt der Tech-Startups nicht alles Gold ist, was glänzt. Während echte Innovation mühsam erarbeitet werden muss, versprechen Blender das Blaue vom Himmel. In einer Zeit, in der physische Werte wie Edelmetalle als sichere Anlage gelten, erweist sich manch digitales Versprechen als heiße Luft. Die Builder.ai-Pleite sollte eine Warnung sein: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – besonders wenn es um Milliardeninvestitionen in angebliche Wundertechnologien geht.
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