Kettner Edelmetalle
03.06.2025
18:24 Uhr

Friedrichshafen im Würgegriff: Wenn Millionenkonzerne ihre Pflichten vergessen

Die schwäbische Idylle am Bodensee trügt. Während andere Städte von solchen Zusatzeinnahmen nur träumen können, entwickelt sich in Friedrichshafen ein Trauerspiel der besonderen Art. Der Automobilzulieferer ZF, mit über 40 Milliarden Euro Jahresumsatz wahrlich kein Kleinbetrieb, drückt sich systematisch vor seinen Verpflichtungen gegenüber der Stadt. Die mageren 41 Millionen Euro Dividende, die in den letzten drei Jahren jeweils ausgeschüttet wurden, mögen auf den ersten Blick üppig erscheinen. Doch sie sind nicht einmal die Hälfte dessen, was der Gemeinderat 2017 als Mindestausschüttung beschlossen hatte.

Ein gebrochenes Versprechen mit System

85 Millionen Euro jährlich – so lautete die klare Vereinbarung zwischen Stadt und Stiftungskonzern. Eine Summe, die für einen Global Player wie ZF eigentlich aus der Portokasse zu zahlen sein sollte. Stattdessen erleben wir nun das fünfte Jahr in Folge, in dem diese Verpflichtung mit fadenscheinigen Begründungen unterlaufen wird. Die Ausreden variieren: Mal ist es die Pandemie, mal die Transformation der Automobilbranche, mal der Investitionsdruck. Doch während der Konzern seine Pflichten kleinredet, verlangt er gleichzeitig von seiner Belegschaft erhebliche Gehaltseinbußen.

Besonders pikant wird die Situation, wenn man die Zahlen genauer betrachtet. Im Geschäftsjahr 2020 schrieb ZF einen Nettoverlust von 741 Millionen Euro und zahlte daraufhin gar keine Dividende. Vier Jahre später, mit einem noch höheren Verlust von einer Milliarde Euro, werden plötzlich wieder 41 Millionen ausgeschüttet. Diese Willkür in der Ausschüttungspolitik wirft Fragen auf, die weit über bloße Buchhaltungstricks hinausgehen.

Die Politik kuscht vor der Wirtschaft

Während die SPD/Linke-Fraktion noch mutig für die Einhaltung der Vereinbarungen eintritt, knicken die Grünen bereits ein. Ihre Argumentation, man dürfe den Beschluss nicht mehr "starr durchziehen", offenbart die ganze Misere deutscher Kommunalpolitik. Statt die Interessen der Bürger zu vertreten, wird vorauseilender Gehorsam gegenüber der Wirtschaft praktiziert. Die übrigen Fraktionen schweigen gleich ganz – ein beredtes Zeugnis politischer Feigheit.

Die grüne Fraktion spricht von "Verantwortung" und davon, dass eine "finanziell ausgezehrte ZF" niemandem nutze. Doch wer schützt die Bürger vor einer finanziell ausgezehrten Stadt? Wer verhindert, dass Gebühren und Abgaben weiter steigen, während gleichzeitig Leistungen gekürzt werden? Die Antwort liegt auf der Hand: niemand. Die Politik hat sich längst aus ihrer Verantwortung gestohlen.

Der Preis der Unterwürfigkeit

Die Konsequenzen dieser Kapitulation tragen die Bürger Friedrichshafens. Während ZF seine Dividendenverpflichtungen nach Gutdünken interpretiert, müssen die Einwohner mit steigenden Gebühren und gekürzten Leistungen leben. Der Gemeinderat hat im Doppelhaushalt 2025/2026 bereits "empfindliche" Einschnitte beschlossen – ein Euphemismus für das, was den Menschen tatsächlich zugemutet wird.

Besonders zynisch mutet es an, wenn die Stadt erklärt, sie habe "den Gürtel enger geschnallt". Während die Bürger also den Gürtel enger schnallen müssen, lockert ZF seinen Geldbeutel nur widerwillig. Die Zeppelin-Stiftung Ferdinand gGmbH, einst als Segen für die Stadt gedacht, verkommt zum Notgroschen, aus dem sich die Kommune bedienen muss, weil der Hauptschuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllt.

Ein Spiegel deutscher Wirtschaftspolitik

Was sich in Friedrichshafen abspielt, ist symptomatisch für die deutsche Wirtschaftspolitik insgesamt. Großkonzerne diktieren die Bedingungen, die Politik kuscht, und die Bürger zahlen die Zeche. Die Transformation der Automobilbranche, die als Begründung für die reduzierten Ausschüttungen herhalten muss, ist dabei nur ein weiteres Kapitel in der Geschichte politischen Versagens. Statt klare Rahmenbedingungen zu schaffen und auf deren Einhaltung zu pochen, werden Ausnahmen zur Regel erklärt.

Die Tatsache, dass mehrere Fraktionen nicht einmal bereit waren, zu diesem Thema Stellung zu nehmen, spricht Bände. In einer funktionierenden Demokratie sollten gewählte Volksvertreter Rechenschaft ablegen und ihre Positionen verteidigen. Stattdessen herrscht Schweigen – ein Schweigen, das lauter spricht als jede Stellungnahme.

Friedrichshafen steht damit exemplarisch für eine Politik, die ihre eigenen Beschlüsse nicht durchsetzt, die vor wirtschaftlichen Interessen einknickt und die letztlich die Bürger im Stich lässt. Der Springbrunnen vor dem Rathaus mit seinen Getrieberädern mag die Verbundenheit zwischen ZF und Stadt symbolisieren. Doch diese Verbundenheit scheint zunehmend einseitig zu sein – zu Lasten derer, die diese Stadt ihr Zuhause nennen.

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