Kettner Edelmetalle
03.06.2025
18:35 Uhr

Deutschlands digitaler Neustart: Zwischen Start-up-Romantik und Realitätsverweigerung

Ein neues Digitalministerium soll Deutschland endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren – so zumindest die vollmundigen Versprechen aus Berlin. Während der frischgebackene Bundesdigitalminister Karsten Wildberger von "Start-up-Mentalität" und "besonderem Spirit" schwärmt, offenbart sich bei genauerem Hinsehen ein Paradebeispiel deutscher Bürokratie-Romantik.

Flohmärkte statt Fortschritt

Die Entstehungsgeschichte des neuen Ministeriums liest sich wie eine Satire auf deutsche Verwaltungskunst. Staatssekretär Markus Richter berichtet stolz davon, wie man kurz vor dem Einzug des Ministers noch auf Flohmärkten nach Porzellan suchte. Man fragt sich unwillkürlich: Ist das die vielgepriesene Digitalisierung, von der unsere Regierung träumt? Während andere Länder mit künstlicher Intelligenz und Quantencomputern experimentieren, jagen deutsche Spitzenbeamte auf Trödelmärkten nach Kaffeetassen.

Besonders pikant: Das angeblich so moderne Digitalministerium verteilt sich auf zwei analoge Standorte – Berlin und Bonn. Der Bund der Steuerzahler nennt dies zu Recht "absurd". Die Rechtfertigung des Ministeriums, man arbeite ja digital zusammen, wirkt wie blanker Hohn angesichts der Tatsache, dass Deutschland beim Glasfaserausbau europaweit hinterherhinkt.

500 Beamte für die digitale Revolution?

Mit anfänglich 500 Mitarbeitern, die größtenteils aus anderen Ministerien zusammengewürfelt wurden, soll nun die digitale Transformation Deutschlands vorangetrieben werden. Man stelle sich vor: Beamte, die jahrelang in verstaubten Amtsstuben saßen, sollen plötzlich zu digitalen Vorreitern mutieren. Das ist, als würde man Kutschern das Fliegen von Düsenjets beibringen wollen.

Wildberger, der aus der Wirtschaft kommt und zuvor für den MediaMarkt-Saturn-Konzern tätig war, bringt zwar frischen Wind mit. Doch die Frage drängt sich auf: Reicht ein einzelner Manager aus der Privatwirtschaft, um die verkrusteten Strukturen der deutschen Verwaltung aufzubrechen? Die Geschichte lehrt uns, dass schon viele ambitionierte Quereinsteiger am zähen Kaugummi deutscher Bürokratie kleben geblieben sind.

Projekte statt Paragrafen – ein zaghafter Hoffnungsschimmer?

Immerhin: Das neue Arbeitsmodell mit befristeten Projekten statt starrer Hierarchien klingt vielversprechend. Teams sollen innerhalb von maximal sechs Monaten konkrete Ergebnisse liefern. Ein revolutionärer Ansatz für deutsche Verhältnisse, wo Behördenvorgänge normalerweise in Jahreszeiten, wenn nicht gar Legislaturperioden gemessen werden.

Die geplanten Vorhaben – vom beschleunigten Glasfaserausbau bis zur digitalen Brieftasche – sind längst überfällig. Dass das Online-Zugangsgesetz bereits seit über zwei Jahren existiert, aber immer noch nicht umgesetzt wurde, spricht Bände über die Digitalkompetenz unserer bisherigen Regierungen. Während Estland seinen Bürgern seit Jahren ermöglicht, nahezu alle Behördengänge online zu erledigen, diskutiert man hierzulande noch über die Abschaffung von Faxgeräten.

Der Preis der digitalen Träumerei

Besonders bemerkenswert: Das neue Ministerium hat noch nicht einmal einen eigenen Haushalt. Die Mitarbeiter werden weiterhin aus ihren alten Ministerien bezahlt. Man könnte meinen, die Digitalisierung Deutschlands sei ein Nebenprojekt, das man mal eben zwischen Tür und Angel erledigt.

Die Tatsache, dass Hunderte von Bewerbungen eingegangen sein sollen, zeigt zwar das Interesse an dem Projekt. Doch Interesse allein digitalisiert noch kein Land. Es braucht klare Strukturen, ausreichende Mittel und vor allem den politischen Willen, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Ob die aktuelle Regierung diesen Willen aufbringt, darf bezweifelt werden.

Ein symbolischer Akt: Leben ohne Fax

Dass im neuen Digitalministerium keine Faxgeräte angeschafft werden sollen, wird als großer Fortschritt gefeiert. In jedem anderen entwickelten Land würde man über eine solche Meldung nur müde lächeln. Hierzulande gilt es als revolutionärer Akt. Das zeigt, wie weit Deutschland in Sachen Digitalisierung zurückgefallen ist.

Während China mit 5G-Netzen und digitalen Währungen experimentiert, während die USA die Grenzen der künstlichen Intelligenz ausloten, feiert Deutschland die Abschaffung einer Technologie aus den 1980er Jahren. Man möchte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Die digitale Zukunft Deutschlands hängt nicht von Start-up-Romantik und Flohmarktbesuchen ab, sondern von harten Fakten: Investitionen in Infrastruktur, Abbau bürokratischer Hürden und einer Politik, die Innovationen fördert statt sie zu ersticken. Ob das neue Digitalministerium diese Herkulesaufgabe meistern kann, bleibt abzuwarten. Die bisherigen Signale stimmen wenig optimistisch.

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