Kettner Edelmetalle
03.09.2025
09:21 Uhr

Wirtschaftsweise Grimm knöpft sich Merz-Regierung vor: "Scheinlösungen statt echter Reformen"

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat der neuen Großen Koalition unter Kanzler Friedrich Merz ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. In einem bemerkenswert scharfen Gastbeitrag wirft sie der schwarz-roten Regierung vor, trotz vollmundiger Ankündigungen nur "Scheinlösungen" zu produzieren, die "über ihren Wert verkauft werden". Ein halbes Jahr nach Amtsantritt zeige sich bereits, dass die versprochene Reformagenda im Sumpf koalitionsinterner Kompromisse versacke.

Die unbequeme Wahrheit über Deutschlands Zukunftsfähigkeit

"Die aktuellen Rahmenbedingungen sind nicht tragfähig - anders gesagt: nicht zukunftsfest", konstatiert Grimm mit einer Deutlichkeit, die in Regierungskreisen für Verstimmung sorgen dürfte. Besonders brisant: Die Ökonomin attestiert zwar Kanzler Merz persönlich, die Notwendigkeit von Reformen zu erkennen. Doch zwischen Erkenntnis und Umsetzung klaffe eine gewaltige Lücke. Was nach langwierigen Abstimmungen zwischen CDU/CSU und SPD herauskomme, seien bestenfalls kosmetische Korrekturen, die die strukturellen Probleme des Landes nicht einmal ansatzweise lösten.

Die Kritik der Wirtschaftsweisen trifft ins Mark einer Regierung, die mit dem Versprechen angetreten war, Deutschland wieder auf Kurs zu bringen. Stattdessen drehe sich die Politik im Kreis, weil Entscheidungen "nirgends weh tun" dürften - eine schonungslose Diagnose des politischen Versagens.

Rentensystem vor dem Kollaps - und die Politik schaut zu

Besonders deutlich werde das Reformversagen bei den sozialen Sicherungssystemen. Während die demografische Zeitbombe ticke, verweigere sich die Große Koalition den notwendigen Einschnitten. Ein höheres Renteneintrittsalter? Fehlanzeige. Eine Dämpfung des Rentenanstiegs? Politisch nicht durchsetzbar. Die Abschaffung teurer Sonderregeln wie der Rente mit 63? Tabu.

Stattdessen diskutiere man über Scheinlösungen wie die Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung - eine Maßnahme, die das grundlegende Tragfähigkeitsproblem nicht einmal im Ansatz löse. Es ist, als würde man auf einem sinkenden Schiff über die Farbe der Rettungsringe debattieren, während das Wasser bereits über die Reling schwappt.

Energiepolitik: Subventionswahnsinn statt marktwirtschaftlicher Vernunft

Auch in der Energiepolitik offenbare sich die Reformunfähigkeit der Merz-Regierung. Grimms Forderungskatalog liest sich wie eine Anklage gegen die aktuelle Politik: Regionale Strompreise, die Angebot und Nachfrage widerspiegeln? Nicht mit dieser Koalition. Technologieoffenheit statt ideologischer Scheuklappen? Weiterhin Fehlanzeige. Ein verlässlicher CO₂-Preis als marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument? Zu unpopulär.

Stattdessen setze die Regierung auf das altbekannte Rezept: Subventionen über Subventionen, um die wahren Kosten der Energiewende zu verschleiern. Ein Spiel auf Zeit, das kommende Generationen teuer zu stehen kommen werde. Die Rechnung für diese Politik der Augenwischerei würden unsere Kinder und Enkel bezahlen müssen - mit Zins und Zinseszins.

Bürokratieabbau als Farce: Neue Regeln statt weniger Vorschriften

Geradezu grotesk mutet Grimms Kritik am vermeintlichen Bürokratieabbau an. Anstatt überflüssige Regulierungen abzuschaffen, schaffe die Große Koalition munter neue Vorschriften. Das jüngste Beispiel: das Tariftreuegesetz, das Unternehmen weitere bürokratische Hürden auferlege. Es ist, als würde man einen verstopften Abfluss dadurch reinigen wollen, dass man noch mehr Müll hineinstopft.

Die Wirtschaftsweise legt den Finger in eine Wunde, die symptomatisch für die deutsche Politik geworden ist: Man redet von Entlastung und schafft neue Belastungen. Man verspricht Vereinfachung und produziert zusätzliche Komplexität. Man predigt Wasser und trinkt Wein - oder in diesem Fall: Man predigt Bürokratieabbau und baut neue Bürokratiemonster auf.

Ein Land im Reformstau - und kein Ende in Sicht

Grimms schonungslose Analyse offenbart ein erschreckendes Bild: Ein halbes Jahr nach dem Regierungswechsel steckt Deutschland weiterhin im Reformstau. Die Große Koalition, die als Stabilitätsanker nach dem Ampel-Chaos angetreten war, erweist sich als zahnloser Tiger. Zwischen den Mühlsteinen von CDU/CSU und SPD werden selbst dringend notwendige Reformen zu einem Brei aus Kompromissen zerrieben, der niemandem hilft und allen schadet.

Die bittere Ironie: Ausgerechnet Friedrich Merz, der als Oppositionsführer stets markige Worte für die Reformunfähigkeit der Ampel gefunden hatte, scheitert nun selbst an der Umsetzung seiner Versprechen. Die 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur, die seine Regierung aufgelegt hat, erscheinen vor diesem Hintergrund wie ein teures Pflaster auf einer klaffenden Wunde - sie mögen kurzfristig Linderung verschaffen, heilen aber nicht die strukturellen Probleme des Landes.

Veronika Grimms Weckruf kommt zur rechten Zeit. Doch ob er in den Regierungszentralen gehört wird, darf bezweifelt werden. Zu sehr ist man dort offenbar mit der Verwaltung des Status quo beschäftigt, als dass man sich an echte Reformen herantrauen würde. Deutschland verpasst gerade seine vielleicht letzte Chance, sich für die Zukunft zu wappnen. Die Rechnung dafür werden kommende Generationen bezahlen müssen - in einer Währung, die härter ist als jeder Euro: verpasste Chancen und verlorene Wettbewerbsfähigkeit.

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