
Ukraine torpediert eigene Antikorruptions-Behörden – Selenskyj unter Beschuss
Während ukrainische Soldaten an der Front ihr Leben riskieren, demontiert die politische Führung in Kiew systematisch die Instrumente zur Korruptionsbekämpfung. Ein neues Gesetz, das gestern Abend trotz massiver Proteste durchgepeitscht wurde, entmachtet faktisch die auf EU-Druck geschaffenen Antikorruptionsbehörden. Der Verdacht liegt nahe: Hier sichert sich eine politische Klasse ihre Pfründe – mitten im Krieg.
Tausende gehen auf die Straße
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. In mehreren ukrainischen Städten strömten spontan Tausende auf die Straßen. Allein in Kiew versammelten sich die Demonstranten auf dem Ivan Franko-Platz – in Sichtweite von Präsident Selenskyjs Amtssitz. Die Botschaft war unmissverständlich: "Keine Korruption in der Regierung" und "Europa wählen" hallte es durch die Hauptstadt.
Eine 26-jährige Verlagsmitarbeiterin brachte die Stimmung auf den Punkt: Das Gesetz sei absurd und zerstöre die Demokratie. Es gebe den Mächtigen einen Freifahrtschein für Willkür und untergrabe die EU-Beitrittsbemühungen der Ukraine. Worte, die in ihrer Klarheit kaum zu überbieten sind.
Generalstaatsanwalt als neuer Machtfaktor
Was genau macht dieses Gesetz so brisant? Es unterstellt die beiden wichtigsten Antikorruptionsbehörden – das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Antikorruptions-Staatsanwaltschaft – de facto dem Generalstaatsanwalt. Dieser kann künftig Anweisungen erteilen, Ermittlungen an sich ziehen und Unterlagen an die reguläre Staatsanwaltschaft weiterreichen.
Der Clou dabei: Den amtierenden Generalstaatsanwalt hat Selenskyj erst kürzlich ernannt und gleich noch in seinen Sicherheitsrat berufen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Gewaltenteilung, ohnehin in Kriegszeiten unter Druck, wird hier mit Füßen getreten.
Selenskyjs bizarre Rechtfertigung
Die Reaktion des Präsidenten auf die massive Kritik wirkt geradezu grotesk. Er spricht von "russischen Einflüssen" in den Antikorruptionsbehörden, die es zu "reinigen" gelte. Konkrete Belege? Fehlanzeige. Stattdessen unterschrieb er das Gesetz noch in derselben Nacht – ein Affront gegen alle Demonstranten und ein fatales Signal an die westlichen Partner.
Besonders pikant: Laut NABU-Chef Semen Kryvonos hätten Abgeordnete für das Gesetz gestimmt, die selbst im Visier der Korruptionsermittler stünden. Ein klassischer Interessenskonflikt, der in jedem funktionierenden Rechtsstaat undenkbar wäre.
Systematische Einschüchterung von Kritikern
Das neue Gesetz ist nur die Spitze des Eisbergs. Schon in den vergangenen Wochen mehrten sich die Anzeichen für einen Rückschritt bei der Korruptionsbekämpfung. Prominente Antikorruptions-Aktivisten und Selenskyj-Kritiker gerieten ins Visier staatlicher Ermittlungen. Der Geheimdienst SBU führte Durchsuchungen bei Dutzenden NABU-Mitarbeitern durch – ein Einschüchterungsversuch, der seinesgleichen sucht.
Eine 57-jährige Buchhalterin bei den Protesten fasste das Dilemma treffend zusammen: Eigentlich müsse die Nation im Krieg zusammenstehen. Aber wenn die Regierung eine rote Linie überschreite, könne man nicht mehr schweigen. Die Soldaten verteidigten das Land an der Front, die Bürger müssten Freiheit und Unabhängigkeit im Hinterland verteidigen.
Fatales Signal an den Westen
Die Timing könnte kaum schlechter sein. Während die Ukraine auf westliche Unterstützung angewiesen ist und um EU-Beitrittsverhandlungen kämpft, demontiert sie ausgerechnet jene Institutionen, die auf Druck Brüssels geschaffen wurden. Die Antikorruptionsbehörden galten als Vorzeigeprojekt der Reformen nach dem Euromaidan 2014.
Nun droht dieses Erbe verspielt zu werden. Die Botschaft an potenzielle Investoren und internationale Partner ist verheerend: In der Ukraine regiert weiterhin das Recht des Stärkeren, nicht die Stärke des Rechts. Ein Land, das sich im Krieg gegen einen autoritären Aggressor verteidigt, kann es sich eigentlich nicht leisten, selbst autoritäre Züge anzunehmen.
Die Demonstranten in Kiew haben recht: Dieses Gesetz ist nicht hinnehmbar. Es bleibt zu hoffen, dass der internationale Druck und der Widerstand der Zivilgesellschaft stark genug sind, um eine Kehrtwende zu erzwingen. Andernfalls droht die Ukraine nicht nur den Krieg gegen Russland, sondern auch den Kampf um ihre demokratische Seele zu verlieren.
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