
Rüstungsindustrie als Rettungsanker: Während die Autoindustrie abstürzt, explodieren die Bewerberzahlen bei Waffenschmieden
Während die deutsche Automobilindustrie in einer beispiellosen Krise versinkt und Zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe stehen, erlebt ausgerechnet die lange Zeit verpönte Rüstungsbranche einen regelrechten Boom. Was für eine bittere Ironie der Geschichte: Das einstige Vorzeigeland der Friedensbewegung setzt nun seine wirtschaftlichen Hoffnungen auf Panzer und Flugabwehrsysteme.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Beim Rüstungskonzern Rheinmetall explodierten die Bewerberzahlen förmlich – von 59.000 im Jahr 2021 auf satte 175.000 im vergangenen Jahr. Allein in der ersten Jahreshälfte 2025 gingen bereits 120.000 Bewerbungen ein. Monatlich stellt der Panzerbauer mittlerweile rund 500 neue Mitarbeiter ein. Ein Trend, der sich durch die gesamte Branche zieht.
Die neue Realität: Waffen statt Windräder
Der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung prognostiziert einen langanhaltenden Aufschwung der deutschen Rüstungsindustrie. Bis zu 200.000 neue Arbeitsplätze könnten entstehen, wenn Deutschland seine Verteidigungsausgaben von zwei auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen würde. Eine Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre.
Besonders pikant: Die Finanzierung dieser Aufrüstung erfolgt über Ausnahmen bei der Schuldenbremse. Während bei Bildung, Infrastruktur und Sozialleistungen gespart wird, fließen Milliarden in die Rüstung. Die neue schwarz-rote Koalition unter Friedrich Merz hatte eigentlich versprochen, keine neuen Schulden zu machen. Doch für Waffen gelten offenbar andere Regeln.
Autoindustrie am Boden – Rüstung hebt ab
Die Parallelen sind frappierend: Während Volkswagen, Mercedes und BMW mit Werksschließungen und Massenentlassungen kämpfen, suchen Rheinmetall, Diehl und Renk händeringend nach Fachkräften. Ingenieure, Mechatroniker und IT-Spezialisten, die gestern noch am Elektroauto der Zukunft tüftelten, entwickeln heute Kampfdrohnen und Luftabwehrsysteme.
Der Augsburger Rüstungszulieferer Renk plant weitere Einstellungen, Diehl stellte allein 2024 mehr als 1.000 neue Mitarbeiter in seiner Rüstungssparte ein. Das Unternehmen produziert unter anderem das Luftabwehrsystem Iris-T, das in der Ukraine zum Einsatz kommt.
Ein Paradigmenwechsel mit Folgen
Was bedeutet diese Entwicklung für Deutschland? Ein Land, das sich jahrzehntelang als Friedensmacht definierte, wird zur Waffenschmiede Europas. Die grüne Transformation weicht der olivgrünen Revolution. Statt in nachhaltige Technologien fließen Milliarden in Zerstörungsmaschinen.
Dabei ist die Rüstungsindustrie mit derzeit nur 17.000 Beschäftigten im engeren Sinne viel zu klein, um den Niedergang der deutschen Industrie aufzuhalten. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein – aber ein symbolträchtiger. Deutschland rüstet auf, während die zivile Wirtschaft abrüstet.
Die neue Bundesregierung feiert diese Entwicklung als Erfolg. Doch was sagt es über den Zustand unseres Landes aus, wenn die einzige wachsende Branche jene ist, die Werkzeuge des Todes produziert? Früher exportierte Deutschland Autos in alle Welt, heute sind es Panzer und Munition. Ein Armutszeugnis für eine Nation, die einst für ihre Ingenieurskunst im zivilen Bereich bewundert wurde.