
Netanyahu lenkt ein: Neue Verhandlungen über Geiselfreilassung - doch der Krieg geht weiter
Während Präsident Trump in den vergangenen Tagen die katastrophale Hungerkrise der Zivilbevölkerung in Gaza anprangerte, kündigte der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu am Donnerstag überraschend neue Verhandlungen zur Freilassung aller verbliebenen Geiseln an. Er wolle den Krieg in Gaza zu für Israel "akzeptablen Bedingungen" beenden, ließ er verlauten. Gleichzeitig machte er jedoch unmissverständlich klar, dass die Bodenoffensive unvermindert fortgesetzt werde.
Verhandlungen als Reaktion auf wachsenden Druck
Die Entsendung eines Verhandlungsteams - vermutlich nach Doha - erfolgt offenbar als direkte Reaktion auf die Bereitschaft der Hamas, einem von katarischen und ägyptischen Vermittlern ausgearbeiteten Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe zuzustimmen. Doch Netanyahu hat dem Deal noch nicht zugestimmt. Er sei lediglich bereit, darüber zu "reden" - ein Muster, das sich in den vergangenen Monaten bereits unzählige Male in Katar oder Ägypten wiederholt hat, ohne greifbare Ergebnisse zu zeitigen.
Der innenpolitische Druck auf Netanyahu wächst unterdessen stetig. Die massiven Proteste in Tel Aviv und anderen israelischen Städten gegen seine Politik haben in den vergangenen Tagen und Wochen noch einmal deutlich an Intensität zugenommen. Die Opposition wirft ihm vor, eine militärische Lösung über die Rückkehr der Geiseln zu stellen.
Militärische Eskalation trotz Verhandlungsbereitschaft
"Ich bin gekommen, um die Pläne der israelischen Streitkräfte zur Übernahme der Kontrolle über Gaza-Stadt und zur Niederlage der Hamas zu genehmigen", erklärte Netanyahu bei einem Truppenbesuch. "Diese beiden Angelegenheiten - die Niederlage der Hamas und die Freilassung all unserer Geiseln - gehen Hand in Hand", fügte er hinzu, ohne weitere Details preiszugeben.
Die Realität vor Ort spricht eine andere Sprache: Laut einer gemeinsamen Untersuchung von The Guardian, +972 Magazine und Local Call zeigt eine geheime israelische Militärdatenbank, dass die überwältigende Mehrheit der in Gaza getöteten Palästinenser Zivilisten sind.
Erschreckende Zahlen zur Zivilbevölkerung
Die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen sind erschütternd: 83 Prozent der Kriegstoten seien Zivilisten, heißt es in dem Bericht. Bis Mai 2025 - 19 Monate nach Kriegsbeginn - habe der israelische Militärgeheimdienst lediglich 8.900 Kämpfer von Hamas und Palästinensischem Islamischen Dschihad als bestätigt oder "wahrscheinlich" tot gelistet.
Diese Zahlen werfen ein grelles Licht auf die humanitäre Katastrophe in Gaza. Selbst Trump, der Israel traditionell nahesteht, konnte nicht länger schweigen und bezeichnete jene als "kaltherzig" oder "verrückt", die das Leiden der hungernden Kinder in Gaza leugnen würden.
Ein Teufelskreis ohne Ausweg?
Netanyahus Ankündigung neuer Verhandlungen wirkt vor diesem Hintergrund wie ein durchsichtiges Manöver, um den wachsenden internationalen und innenpolitischen Druck abzumildern. Die gleichzeitige Betonung der militärischen Offensive lässt wenig Hoffnung auf einen echten Durchbruch. Es scheint, als setze die israelische Führung weiterhin auf eine Strategie der maximalen Härte, während die Zivilbevölkerung den Preis zahlt.
Die Frage, die sich aufdrängt: Wie lange kann Netanyahu diesen Kurs noch durchhalten? Die Proteste auf Israels Straßen werden lauter, die internationale Kritik schärfer. Selbst traditionelle Verbündete können die humanitäre Katastrophe nicht mehr ignorieren. Doch solange die israelische Regierung militärische Ziele über menschliches Leid stellt, bleibt eine echte Lösung in weiter Ferne.
Es bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Verhandlungen mehr sind als ein weiteres Kapitel in der endlosen Serie gescheiterter Vermittlungsversuche. Die Geschichte der vergangenen Monate lässt wenig Raum für Optimismus. Währenddessen tickt die humanitäre Zeitbombe in Gaza unerbittlich weiter.
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