Kettner Edelmetalle
23.07.2025
11:45 Uhr

Mütterrente III: Teures Wahlgeschenk oder überfällige Gerechtigkeit?

Die Große Koalition unter Friedrich Merz plant eine weitere Aufstockung der Mütterrente – und wieder einmal stellt sich die Frage: Wer profitiert wirklich davon? Während die Bundesregierung von mehr Rentengerechtigkeit spricht, warnen Kritiker vor einem milliardenschweren Wahlgeschenk, das am eigentlichen Problem vorbeigeht. Die sogenannte Mütterrente III soll ab Januar 2027 kommen – wenn die Deutsche Rentenversicherung es technisch überhaupt schafft.

Gleichstellung nach über 30 Jahren – besser spät als nie?

Die Geschichte der Mütterrente ist eine Geschichte der schrittweisen Nachbesserung. Erst 2014 erkannte die Politik an, dass Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, systematisch benachteiligt waren. Damals erhielten sie nur ein Jahr Erziehungszeit angerechnet, während jüngere Mütter drei Jahre bekamen. Mit der Mütterrente I stieg die Anerkennung auf zwei Jahre, 2019 folgte die Erhöhung auf zweieinhalb Jahre. Nun soll endlich Gleichstand herrschen: drei Jahre für alle.

Doch warum brauchte es drei Anläufe und über zehn Jahre, um diese offensichtliche Ungerechtigkeit zu beseitigen? Die Antwort liegt auf der Hand: Rentenpolitik ist Wahlkampfpolitik. Jede Regierung möchte sich mit Wohltaten bei der wachsenden Wählergruppe der Rentner beliebt machen. Dass die CDU/CSU-SPD-Koalition nun kurz nach Amtsantritt die Mütterrente III durchdrückt, überrascht daher wenig.

Fünf Milliarden Euro jährlich – wer zahlt die Zeche?

Die Kosten der Reform belaufen sich auf stolze fünf Milliarden Euro pro Jahr. Immerhin: Diesmal soll das Geld vollständig aus Steuermitteln kommen, nicht aus der Rentenkasse. Das ist ein Fortschritt gegenüber den Vorgängerreformen, die auf Kosten der Beitragszahler gingen. Dennoch bleibt die Frage: Ist das Geld hier richtig investiert?

Ein halber Rentenpunkt mehr bedeutet aktuell 20,40 Euro zusätzlich pro Monat und Kind. Bei drei Kindern macht das gut 60 Euro mehr Rente. Klingt nach viel? Für viele Betroffene ist es das auch. Doch die Krux liegt im Detail: Wer auf Grundsicherung angewiesen ist, hat oft nichts davon. Die höhere Rente wird einfach mit der Sozialleistung verrechnet. Besonders bitter: Nur wer auf mindestens 33 Beitragsjahre kommt, profitiert von einem Freibetrag. Viele Frauen, die wegen der Kindererziehung ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, erreichen diese Schwelle nicht.

Die wahren Probleme bleiben ungelöst

Hier offenbart sich das Grundproblem der deutschen Rentenpolitik: Statt strukturelle Reformen anzugehen, wird mit der Gießkanne verteilt. Die Mütterrente III mag die Rentenlücke zwischen Ost und West, zwischen Männern und Frauen minimal verringern – doch die eigentlichen Ursachen der Altersarmut bei Frauen bleiben bestehen.

"Statt Geld pauschal zu verteilen, sollten wir in Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und Pflegeinfrastruktur investieren", fordern Experten zu Recht. Denn was nützt es, wenn Frauen zwar drei Rentenpunkte pro Kind bekommen, aber danach jahrzehntelang in Teilzeit arbeiten müssen, weil die Betreuungsinfrastruktur fehlt?

Das Ehegattensplitting, das Frauen in die Rolle der Zuverdienerin drängt, bleibt unangetastet. Die fehlenden Kita-Plätze, die mangelhaften Ganztagsangebote an Schulen – all das wird durch die Mütterrente III nicht besser. Im Gegenteil: Die Milliarden, die jetzt in die nachträgliche Kompensation fließen, fehlen für zukunftsgerichtete Investitionen.

Technisches Chaos vorprogrammiert

Als wäre das nicht genug, warnt die Deutsche Rentenversicherung bereits vor dem technischen Aufwand. Eine fristgerechte Umsetzung zum 1. Januar 2027 sei unrealistisch. Die Bundesregierung hält trotzdem am Termin fest und verspricht notfalls rückwirkende Zahlungen ab 2028. Man fragt sich: Wenn selbst die Umsetzung einer simplen Rentenerhöhung die Verwaltung überfordert, wie soll dann jemals eine echte Rentenreform gelingen?

Aktivrente als Feigenblatt

Parallel zur Mütterrente III plant die Regierung die sogenannte Aktivrente. Rentner sollen bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen. Das klingt nach einer sinnvollen Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Doch auch hier zeigt sich: Es ist Symptombekämpfung statt Ursachenforschung. Warum müssen Menschen überhaupt im Rentenalter arbeiten? Weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. Statt das Rentenniveau zu stabilisieren, schickt man die Alten zurück an die Werkbank.

Fazit: Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Die Mütterrente III ist zweifellos gut gemeint. Die Anerkennung der Erziehungsleistung älterer Mütter war überfällig. Doch die Reform krankt an denselben Fehlern wie die gesamte deutsche Rentenpolitik: Sie ist teuer, bürokratisch und löst die eigentlichen Probleme nicht. Fünf Milliarden Euro jährlich für eine Maßnahme, von der ausgerechnet die Ärmsten kaum profitieren – das ist keine nachhaltige Sozialpolitik.

Was Deutschland braucht, ist keine weitere Nachbesserung im Klein-Klein, sondern eine grundlegende Reform des Rentensystems. Eine Reform, die Frauen echte Chancen auf dem Arbeitsmarkt bietet, statt sie nachträglich für verpasste Möglichkeiten zu entschädigen. Eine Reform, die das Rentenniveau sichert, statt Menschen in die Altersarmut zu treiben. Und eine Reform, die endlich anerkennt, dass die umlagefinanzierte Rente allein nicht mehr ausreicht.

Stattdessen bekommen wir die Mütterrente III – ein weiteres Pflaster auf einem System, das dringend eine Operation bräuchte. Immerhin: Für viele ältere Mütter bedeuten die zusätzlichen 20 oder 60 Euro im Monat eine spürbare Verbesserung. Doch der Preis dafür ist hoch – nicht nur finanziell, sondern vor allem politisch. Denn mit jedem Wahlgeschenk sinkt die Bereitschaft, die wirklich schmerzhaften, aber notwendigen Reformen anzugehen.

Die wahre Tragödie der Mütterrente III ist nicht, dass sie kommt. Es ist, dass sie als großer Wurf verkauft wird, während die eigentlichen Herausforderungen ungelöst bleiben. So setzt sich die deutsche Rentenpolitik der letzten Jahrzehnte fort: viel Geld für wenig Wirkung, während die demografische Zeitbombe weiter tickt.

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