Kettner Edelmetalle
09.08.2025
08:08 Uhr

Microsoft unter Druck: Militärische Nutzung der Azure-Cloud durch Israel wirft Fragen auf

Die Technologiegiganten aus dem Silicon Valley geraten erneut ins Kreuzfeuer geopolitischer Konflikte. Microsoft sieht sich mit brisanten Vorwürfen konfrontiert, nachdem Recherchen des Guardian enthüllten, dass die israelische Militärüberwachungseinheit 8200 die Azure-Cloud-Plattform des Unternehmens zur Speicherung von Millionen abgehörter palästinensischer Telefongespräche nutzen soll.

Interne Untersuchungen und Zweifel an der Transparenz

Die Führungsetage in Redmond reagierte prompt auf die Enthüllungen. Wie aus Unternehmenskreisen verlautet, hätten hochrangige Führungskräfte eine interne Untersuchung eingeleitet, um das Ausmaß der militärischen Nutzung ihrer Cloud-Infrastruktur zu ermitteln. Besonders brisant: Es bestünden erhebliche Zweifel daran, ob die israelischen Mitarbeiter des Konzerns vollständig transparent über ihr Wissen bezüglich der sensiblen Militärprojekte gewesen seien.

Die gemeinsame Recherche des Guardian mit dem israelisch-palästinensischen Magazin +972 und der hebräischsprachigen Publikation Local Call zeichnet ein beunruhigendes Bild. Demnach nutze die Einheit 8200, die in ihrer Funktion der amerikanischen NSA entspreche, einen speziell angepassten und abgetrennten Bereich innerhalb der Azure-Infrastruktur. Dort würden täglich Aufzeichnungen von Millionen Telefonaten aus Gaza und dem Westjordanland gespeichert.

Militärische Verwendung der Daten

Noch alarmierender seien die Aussagen von Quellen aus der Einheit 8200 selbst. Diese hätten bestätigt, dass die aus dem gewaltigen Datenarchiv gewonnenen Erkenntnisse zur Identifizierung von Bombenzielen in Gaza verwendet worden seien. Eine Quelle sprach von "einer Million Anrufen pro Stunde", die das System verarbeite.

"Wir nehmen diese Vorwürfe ernst, wie unsere vorherige unabhängige Untersuchung zeigt. Wenn wir neue Informationen erhalten, sind wir verpflichtet sicherzustellen, dass wir die Möglichkeit haben, alle neuen Daten zu validieren und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen."

So lautete die offizielle Stellungnahme eines Microsoft-Sprechers. Doch hinter den Kulissen scheint die Verunsicherung groß zu sein. Bereits im Mai hatte das Unternehmen nach einer internen Überprüfung verkündet, es gebe "bisher keine Beweise" dafür, dass Azure zur "Zielerfassung oder Schädigung von Menschen" in Gaza verwendet worden sei.

Loyalitätskonflikte und geleakte Dokumente

Die aktuellen Entwicklungen werfen jedoch ein neues Licht auf diese Einschätzung. Führungskräfte in der US-Zentrale hätten in den vergangenen Tagen Zweifel an der Richtigkeit der von israelischen Mitarbeitern bereitgestellten Informationen geäußert. Ein besonders heikler Punkt: Einige Executives fragten sich, ob die betreffenden Angestellten möglicherweise eine stärkere Loyalität gegenüber ihrem Heimatland und dessen Militär empfänden als gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Geleakte Microsoft-Dokumente, die dem Guardian vorliegen, identifizierten mehrere Mitarbeiter, die an der Verwaltung von Projekten mit der Einheit 8200 beteiligt seien. Pikant dabei: Diese hätten online geteilt, dass sie selbst in der Elite-Abhöreinheit gedient hätten oder als Reservisten tätig seien.

Widersprüchliche Aussagen und Mitarbeiterproteste

Die israelischen Streitkräfte (IDF) reagierten auf die Veröffentlichung mit einer Stellungnahme, die bei Microsoft für Verwunderung sorgte. Ein IDF-Sprecher erklärte: "Wir schätzen Microsofts Unterstützung beim Schutz unserer Cybersicherheit. Wir bestätigen, dass Microsoft nicht mit der IDF an der Speicherung oder Verarbeitung von Daten arbeitet und dies auch nie getan hat."

Diese Aussage stehe im direkten Widerspruch zu den bekannten Verträgen zwischen Microsoft und dem israelischen Verteidigungsministerium, merkten mehrere Unternehmensquellen an. Es sei kein Geheimnis, dass der Konzern Cloud-Speicher für das Militär bereitstelle.

Unterdessen formiert sich innerhalb des Unternehmens Widerstand. Die Mitarbeitergruppe "No Azure for Apartheid" (Noaa) forderte, alle Verbindungen zum israelischen Militär zu kappen und öffentlich zu machen. Abdo Mohamed, ein Organisator von Noaa, der im vergangenen Jahr entlassen wurde, kritisierte CEO Satya Nadella scharf. Die Führungsebene behaupte, nichts von der Zusammenarbeit zu wissen, obwohl sie selbst 2021 die Partnerschaft eingegangen sei.

Technologie im Spannungsfeld geopolitischer Konflikte

Der Fall wirft grundsätzliche Fragen über die Verantwortung von Technologieunternehmen in bewaffneten Konflikten auf. Während Microsoft betont, keine Kenntnis über die spezifische Nutzung seiner Cloud-Dienste zu haben, zeigen die geleakten Dokumente, dass das Unternehmen seit 2021 mit der Einheit 8200 zusammenarbeite, um erweiterte Sicherheitsmaßnahmen innerhalb der Cloud-Plattform zu implementieren.

Die Enthüllungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Technologiebranche zunehmend unter Druck gerät, ihre Rolle in militärischen Konflikten zu überdenken. Die Tatsache, dass möglicherweise Millionen von Telefongesprächen unbeteiligter Zivilisten in einer kommerziellen Cloud-Infrastruktur gespeichert und für militärische Zwecke ausgewertet werden, dürfte die Debatte über ethische Standards in der Tech-Industrie weiter befeuern.

Ob Microsoft tatsächlich eine formelle Untersuchung einleiten wird, wie sie bereits früher in diesem Jahr durchgeführt wurde, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass der Konzern in einem komplexen Geflecht aus geschäftlichen Interessen, ethischen Verpflichtungen und geopolitischen Realitäten navigieren muss – eine Herausforderung, der sich zunehmend mehr Technologieunternehmen stellen müssen.

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