
Merz' erster TV-Auftritt als Kanzler: Zwischen Einheitsbeschwörung und schwammigen Antworten
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) präsentierte sich in seinem ersten TV-Auftritt seit der Vereidigung bei Maybrit Illner betont entspannt und souverän. Doch hinter der zur Schau gestellten Gelassenheit offenbarten sich bereits die ersten Risse in der schwarz-roten Koalition und zahlreiche offene Fragen zur künftigen Regierungspolitik.
Die neue Einigkeit - mehr Schein als Sein?
Auffällig häufig beschwor der frischgebackene Kanzler das "Sprechen mit einer Stimme" - fast wie ein Mantra. Doch bereits am ersten Tag seiner Amtszeit wurden die Widersprüche zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD deutlich. Merz versuchte, die unterschiedlichen Positionen als "natürlich" und Teil einer "guten Arbeitsatmosphäre" darzustellen. Eine Argumentation, die stark an die gescheiterte Ampel-Koalition erinnert.
Außenpolitische Gratwanderung
In der Außenpolitik vollzog Merz eine bemerkenswerte Kehrtwende beim Thema Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Der einstige Verfechter dieser Waffensysteme will die Diskussion nun nicht mehr öffentlich führen - ein durchsichtiges Manöver, um die eigene Kursänderung zu verschleiern. Stattdessen setzt er auf eine "Koalition der Willigen" mit europäischen Partnern.
Migration: Vage Antworten statt klarer Kante
Besonders dünn wurde es bei der Migrationspolitik. Auf die konkrete Nachfrage nach der aktuellen "Ausnahmesituation" - angesichts bereits gesunkener Migrationszahlen unter der Vorgängerregierung - blieb Merz eine überzeugende Antwort schuldig. Die angekündigten Grenzkontrollen erscheinen mehr als symbolische Politik denn als durchdachte Strategie.
Wirtschaft und Soziales: Große Worte, wenig Substanz
Bei den drängenden wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen versteckte sich der neue Kanzler hinter Allgemeinplätzen. Das groß angekündigte Schuldenpaket von 500 Milliarden Euro wird als Heilsbringer präsentiert, während konkrete Konzepte zur Unterstützung der "kleinen Leute" fehlen. Die dringend notwendige Rentenreform wurde in typischer Politikermanier an Kommissionen delegiert.
Fragwürdige Moderation
Kritisch zu sehen war die Rolle der Moderatorin Maybrit Illner, die mehrfach Merz' Sätze vollendete und damit ihre journalistische Distanz vermissen ließ. Eine kritische Auseinandersetzung mit den oft schwammigen Antworten des Kanzlers blieb weitgehend aus.
Fazit: Mehr Fragen als Antworten
Der TV-Auftritt offenbarte einen Kanzler, der sich zwar rhetorisch geschickt präsentierte, aber bei konkreten Nachfragen oft auswich. Die beschworene neue Einigkeit der Koalition wird sich erst noch beweisen müssen. Für die drängenden Probleme des Landes - von der Wirtschaftskrise bis zur sozialen Gerechtigkeit - bleiben echte Lösungsansätze weiter Mangelware.