
Europa bettelt um Gehör: Wenn Großmächte über unsere Köpfe hinweg entscheiden
Es ist ein Schauspiel der besonderen Art, das sich derzeit auf der weltpolitischen Bühne abspielt. Während sich die beiden Großmächte USA und Russland auf ihr Gipfeltreffen in Alaska vorbereiten, müssen die Europäer wie Bittsteller an verschlossenen Türen klopfen. Die Ironie könnte kaum bitterer sein: Über Krieg und Frieden auf europäischem Boden wird verhandelt – nur eben ohne Europa.
Das diplomatische Betteln beginnt
NATO-Generalsekretär Mark Rutte gibt sich noch optimistisch und bezeichnet das für Freitag angesetzte Treffen zwischen Trump und Putin als "ganz wichtig". Man werde sehen, wie ernst es dem russischen Präsidenten mit einem Ende des Ukraine-Krieges sei. Doch zwischen den Zeilen liest sich seine Botschaft anders: Europa muss alle Register ziehen, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Die verzweifelten Versuche der Europäer, sich Gehör zu verschaffen, gleichen einem diplomatischen Marathonlauf: Treffen der "Koalition der Willigen" in Großbritannien, hektische Telefonate mit dem amerikanischen Präsidenten, eilig einberufene Sondersitzungen in Brüssel. Es wirkt, als würden die europäischen Staatschefs versuchen, einen bereits abfahrenden Zug noch zu erreichen.
Wenn Prinzipien plötzlich verhandelbar werden
Besonders aufschlussreich ist die gemeinsame Erklärung von sechs europäischen Regierungschefs und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Einerseits bekräftigen sie vollmundig, dass internationale Grenzen nicht durch Gewalt verändert werden dürften. Andererseits öffnen sie selbst die Büchse der Pandora, indem sie die "gegenwärtige Kontaktlinie" – also die aktuelle Kriegsfront – als möglichen Startpunkt für Verhandlungen bezeichnen.
"Wenn es vielleicht in einer zukünftigen Vereinbarung dazu kommt, anzuerkennen, dass Russland faktisch einen Teil des ukrainischen Gebietes kontrolliert, dann darf das nur eine faktische, keine politische juristische Anerkennung sein."
Diese Aussage von NATO-Chef Rutte zeigt die ganze Hilflosigkeit der europäischen Position. Man versucht sich in semantischen Verrenkungen, um das Unvermeidliche irgendwie erträglich zu machen. Der Verweis auf die baltischen Staaten während der Sowjetzeit mag historisch korrekt sein, wirkt aber wie ein schwacher Trost für die Ukraine.
Merz' fromme Hoffnungen
Bundeskanzler Friedrich Merz, der einst mit großen Versprechen angetreten war, muss sich nun in Hoffnungen flüchten. Man könne "jedenfalls nicht akzeptieren", dass über die Köpfe der Europäer und Ukrainer hinweg entschieden werde. Er gehe davon aus, dass die amerikanische Regierung das "genauso" sehe.
Diese Formulierungen offenbaren die ganze Schwäche der europäischen Position. Wenn ein deutscher Bundeskanzler nur noch "hoffen" und "davon ausgehen" kann, statt zu fordern und durchzusetzen, dann zeigt das den dramatischen Bedeutungsverlust Europas in der Weltpolitik.
Die bittere Realität der Machtpolitik
Was wir hier erleben, ist die Rückkehr der klassischen Großmachtpolitik des 19. Jahrhunderts. Trump und Putin teilen die Welt unter sich auf, während Europa zur Statistenrolle degradiert wird. Die hastig einberufene Schaltkonferenz der EU-Außenminister wirkt da wie der verzweifelte Versuch, wenigstens noch den Anschein von Relevanz zu wahren.
Die Außenbeauftragte Kaja Kallas mag noch so sehr betonen, dass "Europas Kerninteressen auf dem Spiel" stünden – wenn niemand zuhört, verhallen auch die lautesten Rufe ungehört. Die Forderung, dass jede Vereinbarung die Ukraine und die EU einbeziehen müsse, klingt mehr nach frommem Wunsch als nach realistischer Erwartung.
Ein Weckruf für Europa
Dieses Debakel sollte ein Weckruf für Europa sein. Jahrzehntelang hat man sich unter dem amerikanischen Schutzschirm bequem eingerichtet, eigene Verteidigungsfähigkeiten vernachlässigt und sich in endlosen Debatten über Gendersternchen und Klimaneutralität verloren. Jetzt zeigt sich brutal, was es bedeutet, wenn man international nicht mehr ernst genommen wird.
Europa muss endlich aufwachen und verstehen, dass in der Weltpolitik nur derjenige gehört wird, der auch die Macht hat, seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Statt sich in moralischen Appellen zu ergehen, wäre es an der Zeit, wieder eine eigenständige, kraftvolle Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln. Sonst werden wir auch in Zukunft nur Zaungäste sein, wenn über unser Schicksal entschieden wird.
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