
Epstein-Akten: 33.000 Seiten Dokumente – und doch bleiben die wahren Geheimnisse im Dunkeln
Der US-Kongress hat mit großem Tamtam über 33.000 Seiten Unterlagen zum Fall Jeffrey Epstein veröffentlicht. Was auf den ersten Blick wie ein Durchbruch in Sachen Transparenz erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als geschickte Inszenierung. Die Dokumente, die der Aufsichtsausschuss des Repräsentantenhauses am Dienstagabend freigab, werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten – und das dürfte kein Zufall sein.
Ein Meer aus bereits bekannten Informationen
Die 33.295 Seiten umfassen Gerichtsprotokolle, Polizeiberichte, Flugdaten sowie Video- und Fotoaufnahmen. Darunter findet sich eine fast einstündige Videoaufzeichnung einer Durchsuchung von Epsteins Anwesen in Palm Beach aus dem Jahr 2005. Die Beamten entdeckten dort Fotos nackter Frauen, Bilder des Finanziers mit seiner Komplizin Ghislaine Maxwell sowie Aufnahmen, die ihn im Kreise prominenter Persönlichkeiten zeigen. Doch hier liegt der Haken: Der demokratische Abgeordnete Robert Garcia enthüllte, dass über 97 Prozent dieser Dokumente bereits zuvor der Öffentlichkeit zugänglich waren.
Man fragt sich unweigerlich: Warum dieser Aufwand für Material, das größtenteils bereits bekannt war? Die Antwort könnte in dem liegen, was nicht veröffentlicht wurde. Denn während die Öffentlichkeit mit einem Berg aus recycelten Informationen abgespeist wird, bleiben die wirklich brisanten Details weiterhin unter Verschluss.
Die merkwürdigen Umstände von Epsteins Tod
Besonders aufschlussreich sind die internen E-Mails des Bureau of Prisons. Ein Regionaldirektor forderte 17 Tage vor Epsteins Tod tägliche Updates über den prominenten Häftling an. Diese penible Überwachung wirft die Frage auf: Wie konnte es trotz dieser intensiven Beobachtung zum angeblichen Suizid kommen? Epstein war kurz zuvor von der Suizidüberwachung auf eine weniger strenge psychologische Beobachtung verlegt worden – ein Umstand, der bis heute Spekulationen nährt.
Die offizielle Version seines Todes im August 2019 in einer Gefängniszelle in Manhattan wird von vielen Beobachtern angezweifelt. Zu viele Ungereimtheiten, zu viele zufällige Pannen bei der Überwachung, zu viele mächtige Personen, die ein Interesse daran gehabt haben könnten, dass Epstein niemals vor Gericht aussagt.
Das Netzwerk der Mächtigen bleibt geschützt
Die Flugprotokolle von Epsteins Privatjets, von denen weniger als tausend Seiten bislang unveröffentlicht waren, geben zwar Einblicke in seine Reiseaktivitäten, doch die Namen der prominenten Passagiere bleiben weitgehend im Dunkeln. Der Ausschuss plant zwar, prominente Persönlichkeiten wie den ehemaligen Präsidenten Bill Clinton, den früheren FBI-Direktor James Comey und den ehemaligen Arbeitsminister Alex Acosta vorzuladen. Doch wer glaubt, dass dabei substantielle Enthüllungen zu erwarten sind, dürfte enttäuscht werden.
Die Tatsache, dass Epsteins sogenanntes "Black Book" – sein berüchtigtes Adressbuch mit den Kontaktdaten der Elite – noch immer nicht vollständig veröffentlicht wurde, spricht Bände. Hier scheint es mächtige Kräfte zu geben, die kein Interesse daran haben, dass die wahren Dimensionen des Epstein-Netzwerks ans Licht kommen.
Politisches Theater statt echter Aufklärung
Während die Abgeordneten Ro Khanna (Demokrat) und Thomas Massie (Republikaner) eine sogenannte "discharge petition" vorantreiben, um das Justizministerium zur vollständigen Offenlegung aller Akten zu zwingen, bezeichnet House Speaker Mike Johnson diesen Vorstoß als überflüssig. Die Demokraten wiederum werfen Präsident Trump vor, eine "Vertuschung" zu betreiben – eine Anschuldigung, die angesichts der Tatsache, dass das Epstein-Netzwerk parteiübergreifende Verbindungen hatte, eher wie politisches Kalkül wirkt.
Die für den 19. September angesetzte öffentliche Anhörung mit Alex Acosta dürfte kaum mehr als ein weiteres Kapitel in diesem endlosen Schauspiel werden. Acosta, der 2008 als Staatsanwalt einen umstrittenen Deal mit Epstein aushandelte, wird sich vermutlich hinter juristischen Floskeln verstecken und keine wirklich erhellenden Aussagen machen.
Die unbequeme Wahrheit
Was diese Aktenveröffentlichung wirklich zeigt, ist nicht die Transparenz des Systems, sondern dessen Fähigkeit zur kontrollierten Informationsfreigabe. Man gibt der Öffentlichkeit gerade genug, um den Anschein von Aufklärung zu erwecken, während die wirklich explosiven Details weiterhin unter Verschluss bleiben. Die Namen der Mächtigen, die Details ihrer Verstrickungen, die wahren Ausmaße des Missbrauchsnetzwerks – all das bleibt im Dunkeln.
Ghislaine Maxwell sitzt zwar ihre 20-jährige Haftstrafe ab, doch sie ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Die wahren Drahtzieher, die Nutznießer und Mitwisser dieses Systems bleiben unbehelligt. Sie sitzen weiterhin in ihren Machtpositionen, beeinflussen Politik und Wirtschaft und können darauf vertrauen, dass ihre Geheimnisse gut geschützt sind.
Die Veröffentlichung dieser 33.000 Seiten ist letztlich ein Ablenkungsmanöver – ein Knochen, den man der Öffentlichkeit hinwirft, während das wahre Festmahl der Enthüllungen weiterhin hinter verschlossenen Türen stattfindet. Solange die wirklich brisanten Dokumente unter Verschluss bleiben und die mächtigen Akteure unbehelligt bleiben, wird der Fall Epstein ein Monument für die Zweiklassenjustiz bleiben: Eine für die Mächtigen und eine für den Rest.