
Trumps Zollkeule treibt Indien in Chinas offene Arme – Ein geopolitisches Eigentor der Superlative
Was für ein Schauspiel bietet sich der Weltöffentlichkeit: Der indische Premierminister Narendra Modi pilgert nach sieben Jahren erstmals wieder ins Reich der Mitte. Während die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Tianjin tagt, vollzieht sich hinter den Kulissen möglicherweise eine der folgenreichsten geopolitischen Verschiebungen unserer Zeit. Die Ironie könnte kaum bitterer sein – ausgerechnet Donald Trumps protektionistische Handelspolitik treibt den vermeintlichen Verbündeten Indien direkt in die ausgebreiteten Arme Xi Jinpings.
Die 50-Prozent-Ohrfeige aus Washington
Mit einem Federstrich verhängte Trump saftige Strafzölle von 50 Prozent auf nahezu alle indischen Exporte in die USA. Die offizielle Begründung? Indiens fortgesetzte Ölkäufe aus Russland. Doch in Neu-Delhi versteht man diese Maßnahme als das, was sie wirklich ist: ein diplomatischer Faustschlag ins Gesicht eines langjährigen Partners. Während Washington noch vor Kurzem Indien als strategisches Gegengewicht zu China hofierte, behandelt es den Subkontinent nun schlechter als seine erklärten Rivalen.
Die Empörung in indischen Regierungskreisen ist greifbar. Jahrzehntelang hatte man auf die Partnerschaft mit den USA gesetzt, hatte sich als demokratisches Bollwerk gegen Chinas Expansionsdrang positioniert. Nun fragt man sich in Neu-Delhi zu Recht: Warum sollte man einem Partner die Treue halten, der einen bei der erstbesten Gelegenheit fallen lässt wie eine heiße Kartoffel?
Der Drache und der Elefant – Eine Zweckehe mit Potenzial
Xi Jinping, der chinesische Staatschef, formulierte es poetisch: „Den Elefanten und den Drachen zusammen tanzen zu lassen, ist die einzig richtige Wahl." Was nach fernöstlicher Weisheit klingt, ist in Wahrheit knallhartes geopolitisches Kalkül. China wittert die historische Chance, den wichtigsten regionalen Konkurrenten auf seine Seite zu ziehen – und Trump hat ihm diese Chance auf dem Silbertablett serviert.
„Das Vertrauen Indiens in die USA ist erschüttert. Ich bin mir nicht sicher, ob US-Offizielle verstehen, wie viel Vertrauen sie in so kurzer Zeit verspielt haben."
Diese Einschätzung des Südasien-Experten Michael Kugelman trifft den Nagel auf den Kopf. Die Geschwindigkeit, mit der sich die indisch-amerikanischen Beziehungen verschlechtert haben, ist atemberaubend. Noch im Frühjahr galt Indien als aussichtsreicher Kandidat für ein Handelsabkommen mit den USA. Fünf Verhandlungsrunden später steht man vor einem Scherbenhaufen.
Die Renaissance der BRICS – Trumps ungewolltes Geschenk
Als wäre die Annäherung zwischen Indien und China nicht schon genug, erlebt auch das BRICS-Bündnis eine unerwartete Renaissance. Modi und Brasiliens Präsident Lula da Silva schmieden bereits Pläne für eine gemeinsame Antwort auf Trumps Zollpolitik. Die Ironie könnte kaum größer sein: Ausgerechnet jene protektionistischen Maßnahmen, die Amerikas Position stärken sollten, schweißen seine Gegner enger zusammen.
Die konkreten Schritte der indisch-chinesischen Annäherung sprechen Bände: Direktflüge werden wieder aufgenommen, Touristenvisa für chinesische Bürger ausgestellt, Exportbeschränkungen gelockert. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern überschritt bereits die Marke von 118 Milliarden US-Dollar – China ist längst Indiens wichtigster Handelspartner.
Ein Lehrstück in verfehlter Außenpolitik
Was wir hier beobachten, ist nichts weniger als ein Lehrstück darin, wie man durch kurzsichtige Politik langfristige strategische Ziele sabotiert. Jahrzehntelang hatte Washington darauf hingearbeitet, Indien als Gegengewicht zu China aufzubauen. Mit einem einzigen unüberlegten Schachzug hat Trump diese mühsam aufgebaute Allianz möglicherweise irreparabel beschädigt.
Die Folgen dieser Politik werden weit über Trumps Amtszeit hinausreichen. Wenn sich der „Elefant" und der „Drache" tatsächlich dauerhaft zusammenraufen, entstünde ein geopolitischer Block von beispielloser Macht. Über drei Milliarden Menschen, gewaltige Wirtschaftsräume, militärische Supermächte – vereint in ihrer Ablehnung amerikanischer Dominanz.
Besonders pikant: Beim SCO-Gipfel trifft Modi nicht nur Xi Jinping, sondern auch Wladimir Putin. Ein Dreiergespräch der besonderen Art, das in Washington für schlaflose Nächte sorgen dürfte. Die neue Achse Peking-Neu-Delhi-Moskau wäre der Albtraum jedes amerikanischen Geostrategen.
Die Quittung für ideologische Verblendung
Was wir hier erleben, ist die logische Konsequenz einer Politik, die Ideologie über Pragmatismus stellt. Anstatt Indien als wichtigen Partner zu behandeln und dessen legitime Interessen zu respektieren, versuchte Washington, dem Subkontinent seine Bedingungen zu diktieren. Das Ergebnis? Eine außenpolitische Katastrophe ersten Ranges.
Die deutsche Bundesregierung täte gut daran, aus diesem Debakel zu lernen. Auch hierzulande neigt man dazu, moralische Überlegenheit über realpolitische Notwendigkeiten zu stellen. Doch die Welt richtet sich nicht nach westlichen Wunschvorstellungen. Wer Partner wie Drittklässler behandelt, darf sich nicht wundern, wenn diese sich neue Verbündete suchen.
Während sich Indien und China annähern, während BRICS neue Dynamik gewinnt, während alternative Wirtschaftsräume entstehen, klammert sich der Westen an überholte Konzepte. Die multipolare Weltordnung ist keine ferne Zukunftsvision mehr – sie entsteht gerade vor unseren Augen. Und ironischerweise ist es ausgerechnet Donald Trump, der diesen Prozess massiv beschleunigt hat.
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