
Trump torpediert EU-Handelsfrieden: Digitalsteuern werden zum neuen Zankapfel
Kaum war die Tinte unter dem mühsam ausgehandelten Handelsabkommen zwischen der EU und den USA getrocknet, da zündelt Donald Trump schon wieder am transatlantischen Pulverfass. Der US-Präsident droht mit massiven Vergeltungszöllen, sollte Europa nicht umgehend seine Digitalsteuern und Technologieregulierungen abschaffen. Was als stabilisierender Kompromiss mit einer Zollobergrenze von 15 Prozent gedacht war, entpuppt sich nun als fragiler Waffenstillstand, den Trump mit einem einzigen Tweet auf seiner Plattform Truth Social zu sprengen droht.
Die digitale Kampfansage aus Washington
Mit gewohnt polternder Rhetorik bezeichnete Trump die europäischen Maßnahmen als "diskriminierend" und warf der EU vor, amerikanischen Tech-Giganten wie Google, Meta und Amazon unfair zu behandeln, während sie gleichzeitig "Chinas größten Technologieunternehmen einen Freifahrtschein" gewähre. Die Drohung mit "erheblichen zusätzlichen Zöllen" und Exportbeschränkungen für kritische US-Technologien wie Halbleiter lässt in Brüssel die Alarmglocken schrillen.
Besonders pikant: Diese Eskalation kommt nur wenige Wochen nach dem vermeintlichen Durchbruch in den Handelsbeziehungen. EU-Politiker zeigten sich sichtlich überrascht von dieser "außergewöhnlichen und unerwarteten" Wendung, wie ein Sprecher der Europäischen Kommission einräumte.
Der wahre Kern des Konflikts
Im Zentrum des Streits stehen der Digital Services Act (DSA) und der Digital Markets Act (DMA) der EU – Regelwerke, die strenge Vorgaben für die Moderation von Online-Inhalten machen und die Marktmacht amerikanischer Tech-Konzerne eindämmen sollen. Zusätzlich erheben sieben EU-Staaten, darunter Frankreich, Italien und Spanien, nationale Digitalsteuern auf die Einnahmen großer Online-Plattformen.
"Auf europäischer Seite herrscht die Auffassung, dass vor allem große US-Technologieunternehmen in der EU hohe Gewinne erzielen, die hier nicht fair besteuert werden", erklärt Roel Dom vom Think Tank Bruegel.
Diese Steuern mögen aus europäischer Sicht gerechtfertigt erscheinen, doch für Trump sind sie ein rotes Tuch. Der US-Präsident fordere im Grunde genommen "eine Ausnahmeregelung für US-Unternehmen", analysiert Rem Korteweg vom niederländischen Clingendael Institute treffend.
Brüssels Dilemma: Nachgeben oder Standhalten?
Die EU steht vor einem klassischen Dilemma. Einerseits hat sie bereits bewiesen, dass sie nicht davor zurückschreckt, amerikanische Tech-Riesen zur Kasse zu bitten: Apple musste 500 Millionen Euro Strafe zahlen, Meta 200 Millionen. Diese Summen kommen zu den Milliarden hinzu, die Brüssel in den vergangenen Jahren bereits von US-Konzernen eingetrieben hat.
Andererseits fehlt der EU ein wirkungsvolles Druckmittel. Während China mit seinen Seltenen Erden ein strategisches Ass im Ärmel hat, ist Europa stark von amerikanischen Technologien abhängig – von Cloud-Diensten über Social Media bis zur Künstlichen Intelligenz. Der Ukraine-Krieg unterstreicht zudem die sicherheitspolitische Abhängigkeit von Washington.
Das ungetestete Anti-Zwangs-Instrument
Als mögliche Antwort diskutiert Brüssel den Einsatz seines Anti-Zwangs-Instruments (ACI), das ursprünglich als Reaktion auf chinesische Handelspraktiken entwickelt wurde. Dieses würde der EU ermöglichen, mit Gegenzöllen, Exportkontrollen und Marktzugangsbeschränkungen zu reagieren. Doch Experten warnen vor übereilten Schritten.
"Es wäre inkonsequent, von überhaupt keiner Reaktion zur Aktivierung eines ungetesteten und hochpolitischen Instruments zu wechseln", mahnt Judith Arnal vom spanischen Elcano Royal Institute. Ein solcher Schritt könnte die Glaubwürdigkeit der EU als Verfechterin des Freihandels untergraben.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Die Tragweite dieses Konflikts reicht weit über Steuerfragen hinaus. Es geht um die digitale Souveränität Europas und die Frage, ob die EU ihre eigenen Regeln für den digitalen Binnenmarkt setzen darf. Ein Nachgeben würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen und die Handlungsfähigkeit der Union in einem Schlüsselbereich der Zukunft untergraben.
Kanada hat bereits kapituliert und seine Digitalsteuer wenige Stunden vor Inkrafttreten wieder abgeschafft, um die Handelsgespräche mit Washington nicht zu gefährden. Doch für die EU wäre ein solcher Rückzieher fatal. "Es ist wichtig, dass die EU in Bezug auf die Regulierung der Technologiebranche nicht nachgibt", betont Roel Dom eindringlich.
Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz steht vor der Herausforderung, in diesem Konflikt eine klare Position zu beziehen. Während die Große Koalition einerseits die transatlantischen Beziehungen nicht gefährden will, darf sie andererseits die digitale Souveränität Europas nicht auf dem Altar kurzfristiger Handelskompromisse opfern. Es bleibt abzuwarten, ob Brüssel diesmal den Mut aufbringt, Trump die Stirn zu bieten – oder ob man erneut den Weg des geringsten Widerstands wählt.