
SPD-Sturheit beim Richterpoker: Wenn Parteipolitik die Verfassungsjustiz blockiert
Die Besetzung von Richterstellen am höchsten deutschen Gericht sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein – könnte man meinen. Doch was sich derzeit zwischen Union und SPD abspielt, gleicht eher einem unwürdigen Machtspiel als einer verantwortungsvollen Personalentscheidung. Im Zentrum des Streits: Die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, an der die Sozialdemokraten mit einer Verbissenheit festhalten, die Fragen aufwirft.
Die SPD pokert hoch – auf Kosten der Justiz
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch fordert von der Union, endlich das Gespräch mit seiner Kandidatin zu suchen. Man fragt sich unwillkürlich: Warum diese Hartnäckigkeit? Wenn die Union begründete Vorbehalte gegen eine Kandidatin hat, wäre es da nicht klüger, im Sinne des Verfassungsgerichts nach einem Konsens zu suchen? Stattdessen beharrt die SPD auf ihrer Position und riskiert damit eine weitere Verzögerung bei der Besetzung wichtiger Richterstellen.
Besonders pikant: Selbst aus den eigenen Reihen kommt Kritik. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte seiner Partei geraten, gemeinsam mit der Union drei völlig neue Kandidaten zu nominieren. Ein vernünftiger Vorschlag, der zeigt, dass nicht alle Sozialdemokraten die Sturheit ihrer Bundespartei teilen. Doch die Berliner SPD-Spitze ignoriert selbst diese interne Mahnung.
Parteipolitik vor Verfassungsinteressen?
Die Frage drängt sich auf: Geht es der SPD wirklich um die beste Besetzung für das Bundesverfassungsgericht oder vielmehr um parteipolitische Machtdemonstration? Wenn Miersch betont, Brosius-Gersdorf sei eine "hervorragende Kandidatin", dann sollte er auch erklären können, warum die Union diese Einschätzung nicht teilt. Stattdessen wird die Gegenseite unter Druck gesetzt, endlich nachzugeben.
Diese Haltung ist symptomatisch für eine SPD, die offenbar vergessen hat, dass es bei der Besetzung des Bundesverfassungsgerichts um mehr geht als um Parteiinteressen. Es geht um die höchste juristische Instanz unseres Landes, die über Grundsatzfragen unserer Verfassung entscheidet. Hier sollte Konsens herrschen, nicht Konfrontation.
Die Große Koalition auf dem Prüfstand
Besonders brisant wird die Situation vor dem Hintergrund der noch jungen Großen Koalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz. Die Regierung, die sich "Verantwortung für Deutschland" auf die Fahnen geschrieben hat, zeigt bereits erste Risse. Wenn schon bei einer so wichtigen Personalentscheidung keine Einigung möglich ist, wie sollen dann die großen Reformvorhaben des Herbstes gelingen?
Miersch beteuert zwar, sein Arbeitsverhältnis zu Unionsfraktionschef Jens Spahn sei intakt. Doch solche Beteuerungen klingen hohl, wenn gleichzeitig ein derartiger Machtkampf tobt. Die für Ende August geplante Klausur der Fraktionsspitzen in Würzburg könnte zur Bewährungsprobe werden. Entweder findet man bis dahin eine Lösung – oder die Koalition startet mit einer schweren Hypothek in die wichtige Herbstphase.
Zeit für Vernunft statt Sturheit
Was Deutschland jetzt braucht, sind keine parteipolitischen Grabenkämpfe, sondern verantwortungsvolle Politik. Die SPD täte gut daran, ihre starre Haltung zu überdenken. Wenn eine Kandidatin derart umstritten ist, dass die Besetzung wichtiger Verfassungsrichterstellen blockiert wird, sollte man über Alternativen nachdenken. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern mit staatspolitischer Verantwortung.
Die Bürger haben ein Recht darauf, dass ihre höchsten Richter im breiten Konsens bestimmt werden. Sie haben kein Verständnis für parteipolitische Spielchen auf dem Rücken der Justiz. Es bleibt zu hoffen, dass bis zur Würzburger Klausur die Vernunft siegt – auf beiden Seiten. Denn am Ende geht es nicht um SPD oder Union, sondern um die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie.