
Musks America Party: Zwischen Größenwahn und politischem Kalkül
Der reichste Mann der Welt macht ernst mit seiner Drohung und gründet eine eigene Partei. Elon Musk, der mit einem geschätzten Vermögen von 400 Milliarden Dollar die Forbes-Liste anführt, hat am vergangenen Wochenende die America Party ins Leben gerufen. Was nach einem weiteren Ego-Trip des exzentrischen Tech-Milliardärs klingt, könnte die ohnehin fragile politische Landschaft der USA weiter erschüttern – oder als Rohrkrepierer enden wie so viele Drittparteien vor ihr.
Der Bruch mit Trump
Der Anlass für Musks politischen Alleingang könnte kaum symbolträchtiger sein: Am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, unterzeichnete Präsident Donald Trump die sogenannte Big Beautiful Bill – ein Steuer- und Ausgabengesetz, das Musk als "widerwärtiges Monstrum" und "politischen Selbstmord" für die Republikaner bezeichnete. Besonders die Anhebung der Schuldenobergrenze um sagenhafte fünf Billionen Dollar brachte den Mann zur Weißglut, der mit seiner Effizienzbehörde DOGE dem amerikanischen Steuerzahler gerade erst Einsparungen von 190 Milliarden Dollar beschert hatte.
Die Reaktion aus dem Trump-Lager ließ nicht lange auf sich warten. Der Präsident höchstpersönlich bezeichnete das Parteiprojekt als "lächerlich" und legte auf seiner Plattform Truth Social nach: "Es macht mich traurig, zu sehen, wie Elon Musk in den vergangenen fünf Wochen völlig entgleist und im Grunde zu einer Vollkatastrophe geworden ist." Finanzminister Scott Bessent riet Musk süffisant, sich doch lieber wieder seinen Unternehmen zu widmen.
Bannons Wutausbruch offenbart tiefe Gräben
Besonders heftig reagierte Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege. In seinem Video-Podcast "War Room" bezeichnete er Musk wahlweise als "Schurke", "Trottel" und "Elmo der Idiot". Der Populist ging sogar so weit, Musks US-Staatsbürgerschaft infrage zu stellen: "Nein, Bruder, du bist kein Amerikaner. Du bist ein Südafrikaner." Ohne nähere Spezifizierung forderte Bannon gar die Abschiebung des Tesla-Gründers und behauptete, dieser habe "ein Verbrechen begangen".
Musk konterte auf seiner Plattform X gewohnt unverblümt und nannte Bannon einen "fetten, betrunkenen Chaoten", der "zurück ins Gefängnis" gehöre – eine Anspielung auf Bannons viermonatige Haftstrafe, die er absitzen musste, nachdem er sich geweigert hatte, vor einem Parlamentsausschuss zu den Ereignissen vom 6. Januar 2021 auszusagen.
Das "Teal Movement" – weder Fisch noch Fleisch?
Was genau die America Party politisch will, bleibt vorerst nebulös. Musk beschreibt sein Projekt als "teal movement" – eine Mischung aus dem Blau der Demokraten und dem Rot der Republikaner. Man wolle die "80 Prozent in der Mitte" ansprechen, die mit der aktuellen Polarisierung unzufrieden seien. Der Fokus solle auf ausgeglichenen Haushalten und Innovation liegen. Ein ausgearbeitetes Programm? Fehlanzeige. Bekannte Köpfe außer Musk selbst? Ebenfalls nicht in Sicht.
Dabei dürfte der gebürtige Südafrikaner laut US-Verfassung nicht einmal selbst für das Präsidentenamt kandidieren. Die Frage, welche Persönlichkeiten er für seine Bewegung gewinnen kann, wird entscheidend für deren Erfolg oder Misserfolg sein.
Der Schatten von Ross Perot
Historisch betrachtet erinnert Musks Vorstoß an den texanischen Öl-Milliardär Ross Perot, der 1992 als unabhängiger Kandidat beachtliche 18,9 Prozent der Stimmen holte – das beste Ergebnis eines Dritten seit 1912. Wie Musk war auch Perot ein exzentrischer Selfmade-Milliardär, der mit derben Sprüchen und einfachen Lösungen für komplexe Probleme warb. Seine Themen: niedrigere Steuern, Schutz der heimischen Wirtschaft, strengere Einwanderungspolitik.
Perot inspirierte damals sogar einen gewissen Donald Trump, der zur neu gegründeten Reform Party wechselte und beim parteiinternen Vorentscheid zur Wahl 2000 antrat. Doch das Experiment endete im Desaster: Der Kandidat Patrick Buchanan erreichte mickrige 0,4 Prozent. Das amerikanische Wahlsystem mit seinem Mehrheitswahlrecht und den hohen Hürden für neue Parteien hatte wieder einmal gesiegt.
Strukturelle Hürden und finanzielle Macht
Die Herausforderungen für Musks America Party sind gewaltig. Allein in Texas müssen 81.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt werden, um überhaupt antreten zu dürfen. Das Mehrheitswahlrecht benachteiligt kleine Parteien systematisch – Perot erhielt trotz seiner 19 Prozent keine einzige Stimme im Electoral College.
Andererseits verfügt Musk über Ressourcen, von denen Perot nur träumen konnte: 400 Milliarden Dollar Vermögen und die Reichweite seiner Plattform X. Seine Strategie, sich zunächst auf "zwei oder drei Senatssitze und acht bis zehn Wahldistrikte" bei den Midterms 2026 zu konzentrieren, könnte aufgehen. In einem polarisierten Amerika mit hauchdünnen Mehrheiten könnte selbst eine kleine Partei zum Zünglein an der Waage werden.
Gefahr für Trump oder Rohrkrepierer?
Die italienische Zeitung La Stampa spekuliert bereits über ein "Rache-Szenario", bei dem Musk den Republikanern ihre Senatsmehrheit raubt. Die Süddeutsche Zeitung hingegen spottet, das Letzte, was Amerika brauche, sei "eine neue Partei, die von einem unberechenbaren Egomanen angeführt wird". Der konservative Irish Independent erinnert daran, dass selbst marginale Drittparteien Wahlen entscheiden können – wie Ralph Nader 2000 oder Jill Stein 2016.
Eine Umfrage der Quinnipiac University zeigt allerdings, dass 59 Prozent der unabhängigen Wähler Musk skeptisch sehen. Der Politikwissenschaftler Bernard Tamas betont, dass es mehr als Geld brauche: eine echte Graswurzelbewegung.
Fazit: Viel Lärm um nichts?
Ob Musks America Party mehr wird als ein teures Hobby eines gelangweilten Milliardärs, wird sich spätestens bei den Midterms 2026 zeigen. Ohne bekannte Kandidaten, ohne klares Programm und gegen die strukturellen Hürden des US-Wahlsystems anzukämpfen, gleicht das Unterfangen einem Himmelfahrtskommando. Andererseits hat Musk schon oft das Unmögliche möglich gemacht – von der Revolutionierung der Elektromobilität bis zur privaten Raumfahrt.
Eines ist sicher: Die ohnehin turbulente politische Landschaft der USA wird durch Musks Vorstoß nicht ruhiger. Und während sich Republikaner und Demokraten gleichermaßen über den Querschläger aus dem Silicon Valley ärgern, dürfte sich mancher Bürger fragen, ob nicht genau das der amerikanischen Politik guttäte: ein kräftiger Tritt in den Allerwertesten des verkrusteten Zweiparteiensystems. Auch wenn dieser Tritt von einem exzentrischen Milliardär kommt, der auf X gerne mal über die Stränge schlägt.