
Millionenschwerer Rechtsstreit nach mysteriösem Frachter-Inferno: Wer zahlt für das Elektro-Desaster?
Wenn ein mit 4.000 fabrikneuen Fahrzeugen beladenes Schiff mitten im Atlantik in Flammen aufgeht und schließlich in den Fluten versinkt, dann riecht das nicht nur nach verbranntem Gummi und geschmolzenem Metall – es riecht vor allem nach einem gewaltigen Versicherungsschaden. Genau dieser Geruch weht nun durch die heiligen Hallen des Landgerichts Braunschweig, wo sich seit heute Vormittag zwei VW-Konzernunternehmen gegen Schadenersatzforderungen im dreistelligen Millionenbereich zur Wehr setzen müssen.
Das Drama auf hoher See: Als die MS "Felicity Ace" zur Feuerhölle wurde
Es war der 16. Februar 2022, als sich das Spezialschiff MS "Felicity Ace" auf seiner Route von Emden in die USA befand. An Bord: rund 4.000 nagelneue Fahrzeuge aus dem Hause Volkswagen, darunter auch eine beträchtliche Anzahl von Elektroautos. Auf Höhe der Azoren verwandelte sich das schwimmende Parkhaus plötzlich in ein Inferno. Zwei Wochen lang kämpften Rettungskräfte gegen die Flammen, doch am Ende war alles vergebens: Bei einem Abschleppversuch versank das Wrack mitsamt seiner kostbaren Fracht in den Tiefen des Atlantiks.
Was genau an jenem verhängnisvollen Tag geschah, darüber streiten sich nun die Parteien vor Gericht. Die sieben Klägerinnen – bestehend aus der Schiffseigentümerin, der Reederei und diversen Versicherungen – sind felsenfest davon überzeugt, dass eine sich selbst entzündende Batterie eines Elektroautos der Auslöser für die Katastrophe war. Eine These, die in Zeiten der forcierten Elektromobilität durchaus brisant ist und die man in Wolfsburg naturgemäß anders sieht.
Der Schwarze Peter wird munter hin- und hergeschoben
Die beklagten VW-Unternehmen weisen die Vorwürfe entschieden zurück. Ihrer Darstellung zufolge habe der Brand eine völlig andere Ursache gehabt – welche genau, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Mehr noch: Sie behaupten, das Sinken des Schiffes hätte durch umsichtiges Handeln verhindert werden können. Mit anderen Worten: Nicht die möglicherweise defekte Batterie sei schuld, sondern das unprofessionelle Krisenmanagement nach Ausbruch des Feuers.
Diese Argumentation ist durchaus pikant, wirft sie doch die Frage auf, ob die Besatzung und die Rettungskräfte ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden. War es tatsächlich menschliches Versagen, das zum Totalverlust führte? Oder versucht hier ein Großkonzern, sich aus der Verantwortung zu stehlen, nachdem seine hochgepriesene Elektrotechnologie möglicherweise versagt hat?
Wenn Mediation scheitert, sprechen die Anwälte
Wie bei Zivilverfahren üblich, gab es auch in diesem Fall den Versuch einer gütlichen Einigung. Doch die Mediation scheiterte kläglich – zu weit liegen die Positionen auseinander, zu hoch sind die Summen, um die es geht. Nun liegt es an der Kammer des Landgerichts Braunschweig, Licht ins Dunkel zu bringen und die rechtlichen Knackpunkte herauszuarbeiten.
Der heutige Auftakttermin diente zunächst der Einführung in das Verfahren. Dabei skizzierte der vorsitzende Richter die aus Sicht der Kammer relevanten rechtlichen Fragestellungen. Für die Streitparteien war dies die erste Gelegenheit, einen Eindruck davon zu bekommen, in welche Richtung das Verfahren tendieren könnte. Weitere Einigungsgespräche bleiben jederzeit möglich – doch angesichts der verhärteten Fronten dürfte dies eher Wunschdenken sein.
Die Versicherungswirtschaft schlägt Alarm
Der spektakuläre Untergang der "Felicity Ace" hat in der Versicherungsbranche für erhebliche Unruhe gesorgt. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) forderte bereits kurz nach dem Vorfall bessere Löschanlagen auf den riesigen Autotransportschiffen. "Bei Warenwerten bis zu 500 Millionen Euro an Bord sollte bei diesen Schiffen in mehr Sicherheit investiert werden", mahnte damals GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Diese Forderung kommt nicht von ungefähr. Die zunehmende Zahl von Elektrofahrzeugen auf Transportschiffen stellt die maritime Logistik vor völlig neue Herausforderungen. Lithium-Ionen-Batterien brennen nicht nur intensiver und heißer als herkömmliche Kraftstoffe – sie sind auch deutlich schwieriger zu löschen. Einmal entzündet, kann ein solcher Brand schnell außer Kontrolle geraten und verheerende Folgen haben.
Ein Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen
Der Ausgang dieses Verfahrens könnte wegweisend für die gesamte Automobilindustrie und die Schifffahrtsbranche sein. Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich eine defekte Batterie für das Inferno verantwortlich war, würde dies die Diskussion um die Sicherheit von Elektrofahrzeugen neu befeuern. In Zeiten, in denen die Politik die Elektromobilität mit Milliardensummen fördert und den Verbrenner verteufelt, wäre dies ein herber Rückschlag für die grüne Agenda.
Andererseits könnte ein Freispruch für VW bedeuten, dass die Sicherheitsstandards für den Transport von Fahrzeugen generell überdacht werden müssen. Sind unsere Frachtschiffe überhaupt für die neuen Herausforderungen der Elektromobilität gerüstet? Oder segeln hier schwimmende Zeitbomben über die Weltmeere?
Eines steht fest: Dieser Prozess wird nicht nur über Millionen entscheiden, sondern könnte auch die Weichen für die Zukunft des Fahrzeugtransports stellen. In einer Zeit, in der die deutsche Automobilindustrie ohnehin unter Druck steht und die forcierte Elektrifizierung bereits genug Probleme bereitet, ist dies eine zusätzliche Belastung, die man in Wolfsburg sicher gerne vermieden hätte.
- Themen:
- #Übernahmen-Fussion