
Machtkampf in Jerusalem: Netanjahus Eroberungspläne stoßen auf militärischen Widerstand
In den Korridoren der israelischen Macht brodelt es gewaltig. Bei einer dreistündigen Sicherheitskabinettssitzung am Mittwoch kam es zu einem bemerkenswerten Schlagabtausch zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinem obersten Militärchef, Generalleutnant Eyal Zamir. Der Streitpunkt? Nichts Geringeres als die Zukunft des Gazastreifens – und damit möglicherweise das Schicksal der verbliebenen Geiseln.
Der große Plan: Totale Eroberung um jeden Preis?
Netanjahus Büro ließ verlauten, der Premier habe eine "geschlossene Sicherheitsberatung" abgehalten, bei der verschiedene Optionen für die Fortsetzung der Militärkampagne präsentiert wurden. Doch was sich hinter verschlossenen Türen abspielte, war alles andere als harmonisch. Der öffentlich-rechtliche Sender Kan News brachte es auf den Punkt: "Die Richtung des Premierministers ist es, den Gazastreifen zu erobern."
Eine vollständige und dauerhafte Besetzung des Gazastreifens – das ist offenbar Netanjahus Vision. Ein Plan, der nicht nur militärisch ambitioniert, sondern auch politisch höchst brisant ist. Denn was bedeutet eine solche Eroberung für die noch lebenden Geiseln? Was für die erschöpften israelischen Streitkräfte? Und was für die Zukunft der Region?
Militärische Vernunft gegen politischen Ehrgeiz
Generalleutnant Zamir, der Mann an der Spitze der israelischen Verteidigungskräfte, wagte es, seinem Oberbefehlshaber zu widersprechen. Seine Warnung war unmissverständlich: "Sie laufen in eine Falle in Gaza." Der erfahrene Militärstratege argumentierte, dass ein solcher Eroberungsfeldzug "das Leben der Geiseln erheblich gefährden und die Armee ausbrennen würde."
Nach fast zwei Jahren intensiver Kämpfe haben die israelischen Streitkräfte bereits Hunderte von Verlusten erlitten. Die Hamas-Kämpfer mögen dezimiert sein – Zehntausende sollen gefallen sein –, doch ihre Guerillataktik aus den Tunneln heraus bleibt effektiv. Kleine Hinterhalte, überraschende Angriffe aus dem Untergrund – die verbliebenen Militanten verstehen es noch immer, den technologisch überlegenen IDF-Truppen zuzusetzen.
Netanjahus Gegenargument: Neue Wege für alte Probleme?
Der Premierminister ließ sich von der militärischen Expertise seines Generalstabschefs nicht beeindrucken. Seine Replik war scharf: Die bisherige Vorgehensweise der IDF habe zu keinem Geiselabkommen geführt, daher sei "eine andere Aktion erforderlich". Netanjahu scheint überzeugt, dass nur maximaler Druck die Hamas an den Verhandlungstisch zwingen könne: "Die Hamas wird verstehen, dass sie keine Immunität hat und wird zu einer Vereinbarung kommen."
Zamir hingegen plädiert für eine Fortsetzung der bewährten Strategie: Einkreisung, gezielte Angriffe, kontinuierliche Zermürbung der Hamas-Strukturen. Ein langsamerer, aber möglicherweise nachhaltigerer Ansatz, der die eigenen Truppen schont und die Geiseln weniger gefährdet.
Die Stunde der Entscheidung naht
Trotz seiner Bedenken signalisierte Zamir Bereitschaft, jeden Kabinettsbeschluss umzusetzen – die Disziplin des Soldaten siegt über die Zweifel des Strategen. Bei einer für Donnerstag angesetzten Folgesitzung soll abgestimmt werden. Eine Entscheidung von historischer Tragweite steht bevor.
Was hier sichtbar wird, ist mehr als nur eine taktische Meinungsverschiedenheit. Es ist der ewige Konflikt zwischen politischem Kalkül und militärischer Realität, zwischen dem Wunsch nach einem schnellen, entscheidenden Sieg und der nüchternen Einschätzung der Kosten. Netanjahus Eroberungspläne mögen innenpolitisch Stärke demonstrieren, doch zu welchem Preis?
Die Frage, die sich aufdrängt: Führt der Weg zum Frieden wirklich über die totale Eroberung? Oder manövriert sich Israel damit in eine Sackgasse, aus der es auf Jahrzehnte keinen Ausweg mehr gibt? Die Geschichte lehrt uns, dass militärische Besetzungen selten die erhofften Ergebnisse bringen. Doch in Jerusalem scheint man bereit, diese Lektion erneut auf die harte Tour zu lernen.
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