
Lehrkräfte triumphieren über Bildungsbürokratie: Gericht kippt umstrittene Zwangsstunden
Ein bemerkenswerter Sieg für die Vernunft und gegen die ausufernde Bildungsbürokratie: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat der umstrittenen Vorgriffsstundenregelung in Sachsen-Anhalt eine schallende Ohrfeige verpasst. Die seit 2023 geltende Zwangsmaßnahme, die Lehrkräfte zu einer zusätzlichen Arbeitsstunde pro Woche verdonnerte, sei sowohl formal als auch inhaltlich rechtswidrig, urteilten die Richter.
Was sich die Landesregierung in Magdeburg dabei gedacht hatte, grenzt an bildungspolitischen Aktionismus der übelsten Sorte. Statt den chronischen Lehrermangel mit durchdachten Konzepten anzugehen, griff man kurzerhand in die Mottenkiste der Zwangsmaßnahmen. Die Lehrkräfte sollten fünf Jahre lang eine Stunde mehr arbeiten – und das Beste kommt noch: Die Stunden sollten erst ab 2033 abgefeiert werden können. Ein Schelm, wer dabei an moderne Leibeigenschaft denkt.
Rechtsstaat funktioniert noch – zumindest teilweise
Eine verbeamtete Lehrerin und ein angestellter Lehrer hatten den Mut, sich gegen diese Willkür zur Wehr zu setzen. Während das Oberverwaltungsgericht Magdeburg noch brav im Sinne der Landesregierung entschied, zeigten die Bundesrichter, dass in Deutschland der Rechtsstaat – zumindest in diesem Fall – noch funktioniert.
Die Begründung des Gerichts liest sich wie eine Lektion in Verwaltungsrecht für Anfänger: Die Landesregierung habe ihre Kompetenzen überschritten, als sie die Regelung per Verordnung einführte. Besonders pikant: Die Möglichkeit, sich die Stunden auszahlen zu lassen, mache aus der vermeintlichen Arbeitszeitverlagerung faktisch eine verkappte Gehaltserhöhung durch die Hintertür – nur eben auf Kosten der Lehrkräfte.
EU-Recht als unerwarteter Verbündeter
Interessanterweise äußerte das Gericht sogar Zweifel an der EU-Rechtskonformität der Regelung. Dass ausgerechnet EU-Recht deutschen Lehrkräften gegen die eigene Landesregierung hilft, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die pauschale Verpflichtung aller Lehrkräfte – egal ob in Voll- oder Teilzeit – zu den Vorgriffsstunden könnte gegen europäische Arbeitszeitrichtlinien verstoßen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) jubelt verständlicherweise über das Urteil. Annett Lindner vom GEW-Vorstand fordert nun schnelle Verhandlungen über den Umgang mit bereits geleisteten Stunden. Ihre Kritik, dass ohne eine „echte Erfassung der gesamten Arbeitszeit" alle Aussagen über die tatsächliche Belastung der Lehrkräfte „reine Spekulation" seien, trifft den Nagel auf den Kopf.
Symptom einer verfehlten Bildungspolitik
Dieser Fall offenbart exemplarisch die Hilflosigkeit der Politik im Umgang mit dem Bildungsnotstand. Statt attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen und den Lehrerberuf wieder zu einem erstrebenswerten Karriereziel zu machen, versucht man es mit Zwang und Tricksereien. Dass Lehrkräfte heute vor Gericht ziehen müssen, um sich gegen solche Zumutungen zu wehren, spricht Bände über den Zustand unseres Bildungssystems.
Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt steht nun vor einem Scherbenhaufen ihrer eigenen Kurzsichtigkeit. Die bereits geleisteten Vorgriffsstunden müssen abgegolten werden, die Planungen für die kommenden Jahre sind Makulatur. Ein teures Lehrgeld für eine Politik, die glaubt, strukturelle Probleme mit bürokratischen Taschenspielertricks lösen zu können.
Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen einmal fragen, warum immer weniger junge Menschen den Lehrerberuf ergreifen wollen. Die Antwort liegt nicht in fehlenden Arbeitsstunden, sondern in mangelnder Wertschätzung, überbordender Bürokratie und einer Politik, die Lehrkräfte als Verfügungsmasse betrachtet statt als Schlüssel für die Zukunft unserer Kinder.
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