Kettner Edelmetalle
31.07.2025
07:32 Uhr

Kommunen am Abgrund: Landkreistag fordert radikale Bürgergeld-Kürzungen

Die deutschen Kommunen stehen vor dem finanziellen Kollaps. Mit einem schwindelerregenden Defizit von fast 25 Milliarden Euro für das Jahr 2024 schlagen die Landkreise Alarm und fordern drastische Maßnahmen. Im Zentrum der Kritik: das Bürgergeld und andere Sozialleistungen, die nach Ansicht des Deutschen Landkreistags radikal gekürzt werden müssten.

Finanzkatastrophe mit Ansage

Der Finanzreport 2025 der Bertelsmann Stiftung offenbart das ganze Ausmaß der Misere: 24,8 Milliarden Euro fehlen in den kommunalen Kassen. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags und CDU-Mitglied, findet deutliche Worte für die Situation. Die neue Große Koalition unter Friedrich Merz stimme die Bevölkerung in keiner Weise auf den notwendigen Politikwechsel ein, kritisiert er scharf. Seine Lösung klingt simpel, aber radikal: Leistungseinschränkungen müssten her.

Die Zahlen sprechen eine erschreckende Sprache. Die Kosten in der Sozialhilfe seien um satte 12,4 Prozent gestiegen, berichtet Henneke. Noch dramatischer sehe es in anderen Bereichen aus: Die Kinder- und Jugendhilfe verzeichne einen Anstieg von 17,1 Prozent, die Eingliederungshilfe sei um 13,7 Prozent gewachsen. Diese Explosion der Sozialausgaben treffe auf stagnierende Einnahmen - eine toxische Mischung, die die Kommunen in die Knie zwinge.

Bürgergeld als Hauptübeltäter?

Besonders ins Visier nimmt der Landkreistag das Bürgergeld. Die Anpassung der Regelsätze und die steigende Zahl der Leistungsempfänger hätten die kommunalen Haushalte massiv belastet. Henneke fordert konsequent: Wer Angebote ohne wichtigen Grund ablehne, dem müssten die Leistungen gestrichen werden. Diese Forderung erinnert an die jüngsten Vorstöße von Götz Ulrich, Landrat im Burgenlandkreis, der den kompletten Bürgergeld-Entzug für sogenannte Totalverweigerer ins Spiel brachte.

Die neue Bundesregierung scheint diese Forderungen ernst zu nehmen. Im Rahmen der geplanten Grundsicherungsreform soll es einen "vollständigen Leistungsentzug" geben, wenn Empfänger wiederholt Stellenangebote ablehnen. Sanktionen sollen schneller und härter verhängt werden - ein deutlicher Kurswechsel in der Sozialpolitik.

Verfassungsrechtliche Bedenken ignoriert?

Doch die Umsetzung dieser harten Linie könnte schwieriger werden als gedacht. Verfassungsrechtliche Zweifel stehen im Raum. Bisher sei die Streichung des Regelsatzes nur für einen begrenzten Zeitraum von zwei Monaten möglich - und das ohne die Miete. Ein vollständiger Entzug aller Leistungen könnte gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verstoßen.

Zudem stellt sich die Frage, ob die Verschärfungen angesichts der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt überhaupt die gewünschten Einsparungen bringen würden. Wenn keine Jobs vorhanden sind, helfen auch die härtesten Sanktionen nicht weiter - sie treffen dann nur die Schwächsten der Gesellschaft.

Radikale Sparvorschläge auf dem Tisch

Der Landkreistag beschränkt sich nicht auf Forderungen nach Bürgergeld-Kürzungen. Henneke präsentiert einen ganzen Katalog von Sparmaßnahmen: Eine verlängerte Lebensarbeitszeit stehe ganz oben auf der Liste. Die Mütterrente müsse nicht ausgebaut, sondern zurückgeführt werden. Auch die Wohngeld-Plus-Reform gehöre auf den Prüfstand.

Diese Vorschläge zeigen, dass es den Kommunen nicht nur um einzelne Sozialleistungen geht. Sie fordern einen grundlegenden Umbau des Sozialstaats - weg von der vermeintlichen "Vollkasko-Mentalität", hin zu mehr Eigenverantwortung und weniger staatlicher Unterstützung.

Enttäuschung über Merz-Regierung

Besonders bitter für Henneke: Selbst die neue CDU-geführte Regierung unter Friedrich Merz erfülle die Erwartungen nicht. Der Haushaltsentwurf für 2026 zeige, dass von den im Wahlkampf geweckten Hoffnungen nichts übriggeblieben sei. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) wirft er mangelnden Willen zur Konsolidierung vor. "Konsolidierung heißt Rückführung von vorhandenen, und nicht Abwehr von zusätzlichen Ausgaben", kritisiert der Landkreistag-Chef scharf.

Die Große Koalition steht damit vor einem Dilemma: Einerseits fordern die Kommunen drastische Einschnitte bei den Sozialleistungen, andererseits muss sie soziale Härten vermeiden und verfassungsrechtliche Grenzen beachten. Der angekündigte "Politikwechsel" könnte sich als schwieriger erweisen als gedacht - zumal die SPD als Koalitionspartner traditionell für einen starken Sozialstaat eintritt.

Die Debatte um Bürgergeld-Kürzungen und Sozialabbau dürfte in den kommenden Monaten an Schärfe gewinnen. Während die Kommunen um ihre finanzielle Handlungsfähigkeit kämpfen, geht es für Millionen Leistungsempfänger um ihre Existenz. Ein Kompromiss, der beide Seiten zufriedenstellt, scheint in weiter Ferne.

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