
Israels Kriegsführung gegen Journalisten: Al Jazeera-Reporter bei gezieltem Angriff getötet
Die israelische Armee hat am Sonntag einen verheerenden Luftangriff auf ein Zelt nahe des Shifa-Krankenhauses im östlichen Gaza-Stadt durchgeführt, bei dem fünf Al Jazeera-Journalisten und zwei weitere Personen ums Leben kamen. Unter den Opfern befand sich der 28-jährige Anas Al Sharif, den Israel als Hamas-Anführer bezeichnete – eine Behauptung, die von Menschenrechtsorganisationen und der UN als unbegründet zurückgewiesen wird.
Gezielte Tötung oder Kriegsverbrechen?
Was hier geschehen sei, wirft fundamentale Fragen über die israelische Kriegsführung auf. Die Militärführung behauptet, Al Sharif sei für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und Soldaten verantwortlich gewesen. Doch wo sind die Beweise? Pressefreiheitsorganisationen und UN-Sonderberichterstatterin Irene Khan hatten bereits im Vorfeld gewarnt, dass Al Sharifs Leben aufgrund seiner kritischen Berichterstattung in Gefahr sei.
Al Jazeera nannte den getöteten Reporter einen der "mutigsten Journalisten Gazas" und bezeichnete den Angriff als "verzweifelten Versuch, Stimmen zum Schweigen zu bringen". Tatsächlich hatte Al Sharif mit über 500.000 Followern auf X eine enorme Reichweite und dokumentierte unermüdlich die Realität des Krieges. Nur Minuten vor seinem Tod berichtete er noch über intensive israelische Bombardements, die seit über zwei Stunden andauerten.
Ein Muster der Einschüchterung
Besonders beunruhigend erscheint das systematische Vorgehen Israels gegen Journalisten. Bereits im Oktober hatte das israelische Militär Al Sharif und fünf weitere Gaza-Journalisten als angebliche Mitglieder von Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad bezeichnet. Die vorgelegten "Beweise" – angebliche Dokumente über Trainingskurse und Gehaltslisten – wurden von Al Jazeera kategorisch als Fälschungen zurückgewiesen.
"Israels Muster, Journalisten ohne glaubwürdige Beweise als Militante zu bezeichnen, wirft ernsthafte Fragen über seine Absichten und seinen Respekt vor der Pressefreiheit auf"
So formulierte es Sara Qudah, Direktorin des Komitees zum Schutz von Journalisten für den Nahen Osten und Nordafrika. Die Organisation hatte bereits im Juli die internationale Gemeinschaft aufgefordert, Al Sharif zu schützen – vergeblich, wie sich nun zeigt.
Die letzte Botschaft eines mutigen Reporters
Al Sharif hatte für den Fall seines Todes eine Nachricht hinterlassen, die posthum veröffentlicht wurde: Er habe niemals gezögert, die Wahrheit zu vermitteln, wie sie sei, ohne Verzerrung oder Falschdarstellung. Eine erschütternde Botschaft eines Mannes, der offenbar mit seinem Tod rechnete.
Neben Al Sharif starben die Journalisten Mohammed Qreiqeh, Ibrahim Zaher und Mohammed Noufal sowie ein Assistent. Die Hamas interpretiert diese gezielten Tötungen als Vorbereitung einer neuen israelischen Offensive. Tatsächlich hatte Premierminister Benjamin Netanyahu angekündigt, eine neue Operation zur Zerschlagung von Hamas-Hochburgen in Gaza zu starten.
Internationale Reaktionen bleiben zahnlos
Während die Zahl der getöteten Journalisten im Gaza-Konflikt nach Angaben der von der Hamas geführten Medienbehörde auf 237 gestiegen sei – das Komitee zum Schutz von Journalisten spricht von mindestens 186 –, beschränkt sich die internationale Gemeinschaft auf symbolische Gesten. Australien kündigte an, bei der UN-Generalversammlung im September einen palästinensischen Staat anzuerkennen, ähnlich wie zuvor Frankreich, Großbritannien und Kanada.
Doch was nützen diplomatische Anerkennungen, wenn gleichzeitig die letzten verbliebenen Stimmen, die aus Gaza berichten, systematisch zum Schweigen gebracht werden? Al Jazeera bezeichnete Al Sharif und seine Kollegen als "die letzten verbliebenen Stimmen in Gaza, die der Welt die tragische Realität vermitteln".
Die gezielte Tötung von Journalisten unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar. Wenn Berichterstatter ohne stichhaltige Beweise als Kombattanten deklariert und eliminiert werden können, wird die Pressefreiheit zur Farce. Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass in diesem Konflikt nicht nur Menschen sterben, sondern auch die Wahrheit selbst unter Beschuss steht.
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