Kettner Edelmetalle
03.09.2025
15:18 Uhr

EU-Gericht segnet umstrittenes Datenabkommen mit den USA ab – doch die Zweifel bleiben

Das Gericht der Europäischen Union hat gestern eine Klage gegen das transatlantische Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA abgewiesen. Was auf den ersten Blick wie ein Sieg für den freien Datenverkehr aussieht, wirft bei genauerer Betrachtung erhebliche Fragen auf – besonders angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen unter US-Präsident Donald Trump.

Ein fragwürdiger Freispruch für den Datentransfer

Der französische Abgeordnete Philippe Latombe hatte gegen den sogenannten "Angemessenheitsbeschluss" der EU-Kommission geklagt, der seit 2023 den unkomplizierten Datenaustausch zwischen Europa und den USA ermöglichen soll. Das Gericht wies die Klage ab – allerdings mit einer bemerkenswerten Einschränkung: Die Richter beurteilten ausschließlich die Situation zum Zeitpunkt des Beschlusses im Jahr 2023, als noch Joe Biden im Weißen Haus residierte.

Diese zeitliche Beschränkung der richterlichen Prüfung mutet geradezu naiv an. Während das Gericht sich auf die Vergangenheit konzentrierte, hat sich die politische Landschaft in den USA fundamental gewandelt. Trump, der bereits in seiner ersten Amtszeit wenig Respekt vor unabhängigen Institutionen zeigte, hat diesmal keine Zeit verloren: Schon kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2025 entließ er drei demokratische Mitglieder des Privacy and Civil Liberties Oversight Board – jenes Gremiums, das eigentlich die Aktivitäten der US-Geheimdienste überwachen und für den Datenschutz sorgen soll.

Die Illusion der Datensicherheit

Das Data Privacy Framework, kurz DPF, soll angeblich sicherstellen, dass europäische Datenschutzstandards auch dann gewahrt bleiben, wenn persönliche Daten den Atlantik überqueren. Doch wie sicher können unsere Daten sein, wenn sie auf Servern von Meta, Google oder Amazon in einem Land lagern, dessen Präsident die Unabhängigkeit von Kontrollinstanzen mit Füßen tritt?

"Auf dieser Basis zu dem Ergebnis zu kommen 'alles ist gut, alles ist ausreichend' - da muss man schon alle Augen zudrücken, inklusive aller Hühneraugen", kommentierte der österreichische Datenschutz-Aktivist Maximilian Schrems das Urteil treffend.

Schrems, der bereits zwei Vorgängerregelungen vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall brachte, kennt die Schwachstellen des Systems. Die gesamte Datenschutz-Architektur der USA basiere lediglich auf Executive Orders – präsidialen Dekreten, die Trump "innerhalb von Sekunden" aufheben könne.

Ein zahnloser Tiger namens EU-Kommission

Besonders pikant: Das Gericht schiebt die Verantwortung für die Überwachung der Datenschutzstandards vollständig auf die EU-Kommission ab. Diese solle "fortlaufend prüfen", ob die Voraussetzungen für den Angemessenheitsbeschluss noch gegeben seien. Doch wie glaubwürdig ist eine Kommission, die offenbar nicht einmal die offensichtlichen Risiken unter einer Trump-Präsidentschaft antizipieren konnte?

Der hamburgische Datenschutzbeauftragte Thomas Fuchs äußerte diplomatisch seine Zweifel: Man könne "angesichts der politischen Situation in den USA seine Zweifel haben", ob die Voraussetzungen weiterhin bestünden. Eine bemerkenswert zurückhaltende Formulierung für eine Situation, in der der US-Präsident systematisch die Kontrollmechanismen demontiert.

Die wahren Profiteure: Big Tech und die Datensammler

Während Juristen und Datenschützer diskutieren, reiben sich die großen Tech-Konzerne die Hände. Facebook, Instagram, Google – sie alle profitieren von einem System, das den freien Datenfluss über den Atlantik ermöglicht. Milliarden von Nutzerdaten europäischer Bürger wandern täglich auf amerikanische Server, wo sie nach Belieben analysiert, verwertet und möglicherweise auch von Geheimdiensten durchforstet werden können.

Die Ironie dabei: Während die EU-Bürokratie mit der Datenschutzgrundverordnung kleine und mittelständische Unternehmen in Europa mit überbordenden Dokumentationspflichten drangsaliert, winkt sie die Datenströme zu den amerikanischen Tech-Giganten großzügig durch. Ein Schelm, wer dabei an Lobbyismus denkt.

Ein Signal mit Fragezeichen

Das Gericht sendete zwar ein "wichtiges Signal" – doch welches genau? Dass man bereit ist, beide Augen zuzudrücken, solange der Handel floriert? Dass formale Prüfungen wichtiger sind als die politische Realität? Oder dass die EU-Kommission endlich ihrer Aufsichtspflicht nachkommen soll?

Die Geschichte zeigt: Erst wenn der nächste große Datenskandal die Schlagzeilen beherrscht, erst wenn wieder einmal Millionen europäischer Nutzerdaten in falsche Hände geraten, wird man sich an dieses Urteil erinnern. Dann wird man fragen, warum niemand die offensichtlichen Warnsignale ernst genommen hat.

Bis dahin bleibt den Bürgern nur eine Option: Vorsicht walten zu lassen bei der Preisgabe persönlicher Daten. Denn während Politiker und Juristen debattieren, sind es am Ende die Nutzer selbst, die den Preis für mangelnden Datenschutz zahlen. In einer Zeit, in der Daten das neue Gold sind, sollte man genau überlegen, wem man diesen Schatz anvertraut – besonders wenn er den Atlantik überqueren soll.

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