Kettner Edelmetalle
27.06.2025
06:14 Uhr

Digitale Revolution oder Bürokratie-Bluff? 300 Millionen Euro Einsparpotenzial bei Kfz-Zulassung versprochen

Die deutsche Verwaltung entdeckt plötzlich ihr Herz für Digitalisierung – zumindest wenn es um potenzielle Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe geht. Eine Initiative aus Dresden verspricht nun das Blaue vom Himmel: Mit einer vollständig digitalisierten und zentralisierten Kfz-Zulassung könnten jährlich bis zu 300 Millionen Euro eingespart werden. Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Markus Reichel präsentierte diese verlockenden Zahlen am vergangenen Mittwoch mit der Gewissheit eines Mannes, der glaubt, den Stein der Weisen gefunden zu haben.

Das große Versprechen: Amortisation in drei Jahren

Was klingt wie ein Werbeversprechen aus dem Teleshopping, soll tatsächlich Realität werden: Die Umstellungskosten von geschätzten 500 bis 800 Millionen Euro würden sich angeblich innerhalb von maximal drei Jahren amortisieren. Diese Rechnung bestätigen nicht nur die Stadtverwaltungen von Leipzig und Dresden, sondern auch der Sächsische Städte- und Gemeindetag. Man fragt sich unwillkürlich, ob hier dieselben Experten am Werk waren, die uns auch die pünktliche Fertigstellung des Berliner Flughafens versprochen hatten.

Derzeit werkeln noch über 400 Zulassungsstellen in Landkreisen und kreisfreien Städten vor sich hin – jede mit ihren eigenen Systemen, Prozessen und vermutlich auch Kaffeemaschinen. Obwohl die Regeln für die Zulassung bundesweit identisch sind, hat es Deutschland geschafft, aus einem simplen Verwaltungsakt ein föderales Flickwerk zu machen, das selbst Kafka vor Neid erblassen ließe.

Die digitale Zweiklassengesellschaft

Während 378 Zulassungsstellen bereits die Online-Zulassung anbieten, verharren 33 Landkreise noch im digitalen Mittelalter. Besonders pikant: Die meisten dieser Nachzügler finden sich ausgerechnet in Mitteldeutschland. Aber auch im vermeintlich fortschrittlichen Westen gibt es peinliche Ausreißer wie Gelsenkirchen oder Erlangen, die offenbar noch auf die Erfindung des Internets warten.

Der Fortschritt schreitet mit der Geschwindigkeit einer Behördenschnecke voran: Gerade einmal 8 Prozent aller Zulassungsvorgänge werden digital abgewickelt. Der Rest der Deutschen pilgert weiterhin brav zum Schalter, als wäre es eine Art moderner Wallfahrt zur heiligen Bürokratie.

Die Dresdner Vision: Zehn Milliarden Euro Einsparpotenzial

Die sächsische Initiative träumt groß und will das Prinzip der Digitalisierung nicht nur auf die Kfz-Zulassung beschränken. Wohngeld, Führerscheinwesen und andere Verwaltungsdienstleistungen sollen folgen. Das Gesamteinsparpotenzial beziffern die Visionäre auf „jährlich mindestens zehn Milliarden Euro". Eine Summe, die so fantastisch klingt, dass man sich fragt, warum nicht gleich die Quadratur des Kreises versprochen wird.

Ex-Innenminister Thomas de Maizière, der Mann, der uns einst die Gesichtserkennung an Bahnhöfen schmackhaft machen wollte, hält die Zentralisierung für „technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und politisch umsetzbar". Drei Attribute, die in der deutschen Verwaltungsrealität selten in einem Satz vorkommen.

Die Realität hinter den Versprechen

Das iKfz-System verspricht vollständig digitale Anträge, automatisierte Bearbeitung und Echtzeitübermittlung an alle relevanten Stellen. Die Gebühren sollen niedriger bleiben als bei der traditionellen Zulassung – ein Versprechen, das erfahrene Bürger mit der gleichen Skepsis betrachten dürften wie die Ankündigung einer Steuersenkung im Wahlkampf.

Bis 2030 sollen 80 Prozent aller Zulassungsvorgänge digital abgewickelt werden. Die kommunalen Kfz-Behörden würden zwar bestehen bleiben, aber nur noch eine „beratende" Funktion wahrnehmen. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie begeistert die Mitarbeiter dieser Behörden von ihrer neuen Rolle als digitale Seelsorger sein werden.

Ein Blick in die Glaskugel

Die Initiative aus Dresden mag durchaus ehrenwerte Ziele verfolgen. Doch die deutsche Verwaltungsgeschichte lehrt uns Demut: Zwischen Ankündigung und Umsetzung liegt oft ein Tal der Tränen, gepflastert mit IT-Pannen, Datenschutzbedenken und föderalen Eitelkeiten. Während andere Länder längst in der digitalen Zukunft angekommen sind, diskutiert Deutschland noch über Schnittstellen und Zuständigkeiten.

Vielleicht sollten wir uns zunächst darauf konzentrieren, die bestehenden 33 digitalen Wüsten mit funktionierender Technik auszustatten, bevor wir von Milliardeneinsparungen träumen. Aber das wäre vermutlich zu pragmatisch für ein Land, das es schafft, aus einer simplen Kfz-Zulassung ein bürokratisches Gesamtkunstwerk zu machen.

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