Kettner Edelmetalle
03.06.2025
12:23 Uhr

Die unheilige Allianz: Wenn Journalisten die Seiten wechseln und zu Regierungssprechern werden

Es ist ein Schauspiel, das sich mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt: Kaum ist eine neue Bundesregierung im Amt, beginnt das große Stühlerücken zwischen Redaktionsstuben und Regierungsbüros. Was in anderen Branchen als Verrat am ehemaligen Arbeitgeber gelten würde, scheint im deutschen Journalismus zur gängigen Karriereplanung zu gehören. Die jüngsten Seitenwechsel prominenter Medienschaffender offenbaren ein System, das nicht nur das Vertrauen in unabhängige Berichterstattung untergräbt, sondern auch zeigt, wie eng verwoben Politik und Medien in Deutschland tatsächlich sind.

Vom Schreibtisch ins Ministerium: Die neuen Gesichter der Regierungskommunikation

Stefan Kornelius, einst das Aushängeschild der Süddeutschen Zeitung, sitzt nun als Regierungssprecher im Kanzleramt. Der Mann, der jahrelang die Regierungslinie in seinen Kommentaren verteidigte, vertritt sie jetzt ganz offiziell. Seine Mitgliedschaften in elitären Zirkeln wie der Atlantik-Brücke und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik waren offenbar die perfekte Vorbereitung für seinen neuen Job. Wer hätte das gedacht?

Nicht minder bemerkenswert ist der Werdegang von Sarah Frühauf. Die ARD-Journalistin, die sich einst mit einem polarisierenden Kommentar über "alle Ungeimpften" hervortat und diesen sogar eine Mitschuld an Corona-Toten zusprach, dient nun als Sprecherin von Innenminister Alexander Dobrindt. Kurz vor ihrem Wechsel lobte sie ihren künftigen Chef noch in höchsten Tönen auf tagesschau.de - ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Das lukrative Geschäft mit der Nähe zur Macht

Georg Link verlässt den SWR und heuert im Bundesverkehrsministerium an. Der Mann, dessen polemische Kommentare gegen die SPD sogar zu Interventionen der Partei beim Sender führten, kann nun ungeniert die CDU-Linie vertreten. Es scheint, als hätten diese Journalisten ihre wahre Berufung erst jetzt gefunden - oder war es schon immer ihr Ziel?

"Jeder politische Journalist müsste dieses Ziel auch haben"

So formulierte es einst Bela Anda, der von der Bild-Zeitung zu Kanzler Schröder wechselte. Eine erschreckend ehrliche Aussage, die das Selbstverständnis mancher Journalisten offenbart. Statt die Macht zu kontrollieren, streben sie danach, Teil von ihr zu werden.

Der Drehtür-Effekt: Wenn aus Journalisten Intendanten werden

Besonders perfide wird das System, wenn die Seitenwechsler nach ihrer Zeit in der Politik in den Journalismus zurückkehren - meist in deutlich höheren Positionen. Ulrike Demmer, die heutige RBB-Intendantin, machte es vor: Von der Journalistin zur stellvertretenden Regierungssprecherin und zurück zur Senderchefin. Ein Karriereweg, der Fragen aufwirft.

Anna Engelke wechselte vom NDR zum Bundespräsidenten und ist nun stellvertretende Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios. Wie glaubwürdig kann sie heute noch SPD-Politiker interviewen, die sie aus ihrer Zeit als Sprecherin persönlich kennt und möglicherweise duzt?

Das Rückkehrrecht als Enabler des Systems

Ermöglicht wird dieses Karussell durch das sogenannte Rückkehrrecht. Journalisten können bis zu fünf Jahre in die Politik wechseln, während ihr Platz im Sender warmgehalten wird. Eine Regelung, die geradezu dazu einlädt, die Seiten zu wechseln und dabei die Karriereleiter emporzuklettern.

Die Folgen für die Glaubwürdigkeit des Journalismus sind verheerend. Wie sollen Bürger noch an unabhängige Berichterstattung glauben, wenn die Grenzen zwischen Medien und Politik derart verschwimmen? Das weit verbreitete Vorurteil, "die stecken alle unter einer Decke", erhält durch solche Personalrochaden immer neue Nahrung.

Zeit für einen Kurswechsel

Es wäre an der Zeit, dass der deutsche Journalismus zu seinen Wurzeln zurückfindet. Die vierte Gewalt sollte die Mächtigen kontrollieren, nicht mit ihnen kungeln. Das Rückkehrrecht gehört abgeschafft, und Journalisten sollten sich entscheiden müssen: Entweder sie berichten über Politik oder sie machen Politik - beides gleichzeitig oder nacheinander untergräbt die Glaubwürdigkeit beider Professionen.

In einer Zeit, in der das Vertrauen in Medien ohnehin schwindet, können wir uns solche Seitenwechsel nicht mehr leisten. Die Bürger haben ein Recht auf unabhängige Information, nicht auf als Journalismus getarnte Regierungspropaganda. Es ist höchste Zeit, dass sich etwas ändert - bevor das letzte bisschen Vertrauen in die Medienlandschaft vollends verspielt ist.

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