
Bundestag verdoppelt Bußgelder: Wenn Pöbeleien zur teuren Angelegenheit werden
Die neue Große Koalition macht Ernst mit der Disziplin im Hohen Haus. Union und SPD haben sich darauf verständigt, die Ordnungsgelder für störende Abgeordnete im Bundestag zu verdoppeln. Künftig sollen Parlamentarier, die durch ungebührliches Verhalten auffallen, mit 2.000 Euro zur Kasse gebeten werden – im Wiederholungsfall sogar mit 4.000 Euro. Eine überfällige Maßnahme, möchte man meinen, wenn man sich die zunehmende Verrohung der politischen Debattenkultur vor Augen führt.
Die Würde des Hauses wahren
Was sich in den vergangenen Jahren im deutschen Bundestag abgespielt hat, spottet teilweise jeder Beschreibung. Zwischenrufe, Pöbeleien und respektloses Verhalten haben ein Ausmaß erreicht, das der Würde des Parlaments schadet. Die Reform der Geschäftsordnung sei notwendig, um „einen respektvollen und der Würde des Hauses entsprechenden Umgang sicherzustellen", heißt es aus Koalitionskreisen. Man fragt sich allerdings, warum es erst einer solchen Maßnahme bedarf, um erwachsene Menschen zu zivilisiertem Verhalten anzuhalten.
Die geplante Verdopplung der Ordnungsgelder ist dabei nur ein Baustein eines umfassenderen Reformpakets. Erstmals sollen auch klare Regeln für die Abwahl von Vizepräsidenten und Ausschussvorsitzenden festgelegt werden. Ein Schritt, der zeigt, dass die etablierten Parteien offenbar nervös werden angesichts der veränderten Machtverhältnisse im Parlament.
Lebendige Debatten oder kontrolliertes Chaos?
Interessanterweise sieht die Reform nicht nur Sanktionen vor. Bei sogenannten Aktuellen Stunden sollen künftig Zwischenfragen und Kurzinterventionen möglich sein, um die Plenardebatten „noch lebendiger zu gestalten". Ein zweischneidiges Schwert: Einerseits könnte dies tatsächlich zu spannenderen Diskussionen führen, andererseits besteht die Gefahr, dass gerade diese Neuerung von notorischen Störenfrieden missbraucht wird.
Die Tatsache, dass Union und SPD diese Reform gemeinsam vorantreiben, zeigt deutlich, wie sehr sich die politische Landschaft verändert hat. Noch vor wenigen Jahren wäre eine solche Maßnahme undenkbar gewesen. Doch die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft spiegelt sich eben auch im Parlament wider. Die etablierten Parteien sehen sich gezwungen, ihre Hausordnung zu verschärfen – ein Armutszeugnis für die politische Kultur in Deutschland.
Ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag
Mit der geplanten Reform setzen Union und SPD ein Vorhaben aus ihrem Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland" um. Der Antrag soll bereits in der kommenden Sitzungswoche in erster Lesung beraten und noch im Herbst verabschiedet werden. Das Ziel sei eine „breite parlamentarische Mehrheit" – was angesichts der Mehrheitsverhältnisse der Großen Koalition wohl kaum ein Problem darstellen dürfte.
Ob höhere Ordnungsgelder tatsächlich zu einem besseren Umgangston im Bundestag führen werden, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung zeigt, dass finanzielle Sanktionen nur bedingt wirksam sind, wenn die grundsätzliche Bereitschaft zum respektvollen Miteinander fehlt. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, sich auf die Ursachen der zunehmenden Verrohung zu konzentrieren, statt nur an den Symptomen herumzudoktern.
Eines steht fest: Der deutsche Bundestag hat ein Disziplinproblem. Dass nun ausgerechnet die Große Koalition, die in der Vergangenheit selbst nicht immer durch vorbildliches Verhalten aufgefallen ist, die Zügel anzieht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Man darf gespannt sein, ob die neuen Regeln tatsächlich zu einer Verbesserung der Debattenkultur führen oder ob sie lediglich ein weiteres Instrument zur Disziplinierung unbequemer Stimmen darstellen.