Kettner Edelmetalle
07.08.2025
06:16 Uhr

Bosniens Separatistenführer vor dem Aus: Warum der Westen jetzt handeln muss

Ein bosnisches Gericht hat getan, was viele für unmöglich hielten: Es verurteilte den mächtigsten Mann der Republika Srpska zu einer Haftstrafe und entzog ihm sein Amt. Milorad Dodik, der sich jahrelang als unantastbarer Herrscher über die serbische Teilrepublik Bosniens gerierte, wurde am 1. August rechtskräftig zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Am Mittwoch folgte dann der politische Todesstoß – die Zentrale Wahlkommission enthob ihn seines Amtes und untersagte ihm für sechs Jahre jegliche politische Tätigkeit.

Das Ende einer Ära der Erpressung

Was war geschehen? Dodik hatte sich erdreistet, Gesetze zu unterzeichnen, die die Autorität des internationalen Hohen Repräsentanten und des bosnischen Verfassungsgerichts in seinem Machtbereich aushebeln sollten. Ein klarer Verfassungsbruch, der nun endlich Konsequenzen hatte. Jahrelang konnte dieser Mann mit seiner antiwestlichen Rhetorik und seinen Drohungen mit Abspaltung die internationale Gemeinschaft erpressen. Nun scheint seine Zeit abgelaufen zu sein.

Die Reaktion aus Belgrad ließ nicht lange auf sich warten. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić spielte einmal mehr die Rolle des besorgten Nachbarn – eine Pose, die man in der Region nur zu gut kennt. Von Slowenien über Kroatien bis zum Kosovo haben die Nachbarländer leidvolle Erfahrungen mit serbischen Destabilisierungsversuchen gemacht. Dass Vučić sich einmischt, überrascht niemanden. Dass seine Meinung völkerrechtlich irrelevant ist, sollte man ihm vielleicht noch einmal deutlich machen.

Moskaus Mann auf dem Balkan fällt

Besonders pikant an Dodiks Sturz ist seine enge Verbindung zu Wladimir Putin. Der bosnische Serbenführer pilgerte regelmäßig nach Moskau, ließ sich mit dem russischen Präsidenten ablichten und prahlte mit dieser Nähe. Er war Moskaus verlängerter Arm auf dem Balkan, ein Störfaktor für die europäische Integration der Region. Dass ausgerechnet jetzt, wo Russland im Ukraine-Krieg feststeckt, sein Statthalter in Bosnien fällt, dürfte im Kreml für Verstimmung sorgen.

Die Ironie der Geschichte: Ein Mann, der den Rechtsstaat jahrelang verhöhnte und sich über demokratische Spielregeln hinwegsetzte, wurde nun genau von diesem Rechtsstaat zur Rechenschaft gezogen. Seine politische Arroganz, genährt durch die Rückendeckung aus Moskau und das lange Schweigen des Westens, wurde ihm zum Verhängnis. Er glaubte sich unantastbar – ein fataler Irrtum.

Das große Stühlerücken beginnt

Mit Dodiks Fall beginnt in der Republika Srpska ein politisches Hauen und Stechen. Seine Partei SNSD verliert ihren übermächtigen Anführer, und schon wittern Opportunisten ihre Chance. Bisherige Mitläufer werden zu plötzlichen Kritikern, Wendehälse positionieren sich neu. Es ist das übliche Spiel, wenn ein scheinbar allmächtiger Herrscher stürzt.

Auch die anderen ethnonationalistischen Führer Bosniens müssen sich neu orientieren. Dragan Čović, Chef der kroatischen HDZ, verliert mit Dodik einen wichtigen Verbündeten für seine Forderung nach einer dritten, kroatischen Entität. Ohne den starken Mann aus Banja Luka wird er kompromissbereiter werden müssen – keine schlechte Nachricht für alle, die an einem funktionierenden Gesamtstaat interessiert sind.

Die verpasste Chance der Reformer

Tragisch ist allerdings, dass die reformorientierten Kräfte des Landes diese historische Chance bisher nicht nutzen können. Die sogenannte Troika aus sozialdemokratischen und liberalen Parteien verstrickt sich lieber in internen Querelen und Symbolpolitik, statt klare Linien zu setzen. Ihre Unfähigkeit spielt ausgerechnet Bakir Izetbegović in die Hände, dem bosniakischen Nationalisten, den sie eigentlich überwinden wollten. Je schwächer die Reformer agieren, desto eher kann sich Izetbegović wieder als erfahrener Staatsmann inszenieren.

Dabei wäre jetzt der Moment für einen echten Neuanfang. Russland und Serbien werden zwar versuchen, einen neuen Statthalter ihrer Interessen zu installieren, doch jemand von Dodiks Format steht nicht bereit. Diese Schwäche der destruktiven Kräfte müsste der Westen nutzen.

Jetzt oder nie: Der Westen muss handeln

Die EU und die NATO haben jetzt ein einmaliges Zeitfenster. Mit Dodiks Sturz ist der größte Blockierer einer europäischen Integration Bosniens vorerst ausgeschaltet. Doch wer glaubt, das Problem löse sich von selbst, irrt gewaltig. Brüssel und Washington müssen jetzt Präsenz zeigen – mit wirtschaftlicher Unterstützung für Reformkräfte, mit klarem politischem Druck auf die verbliebenen Nationalisten und mit einer glaubwürdigen Beitrittsperspektive.

Die Alternative wäre fatal: Zögert der Westen, werden Moskau und Belgrad die Lücke füllen. Sie werden einen neuen Dodik installieren, vielleicht weniger charismatisch, aber genauso destruktiv. Die Region würde weiter in Instabilität verharren, ein Pulverfass vor den Toren der EU.

Es rächt sich jetzt, dass die deutsche Bundesregierung und ihre EU-Partner jahrelang eine klare Balkan-Politik vermissen ließen. Während man sich in Berlin mit Gendersternchen und Klimazielen beschäftigte, überließ man den Balkan den Autokraten und ihren ausländischen Förderern. Diese Nachlässigkeit könnte sich bitter rächen, wenn man die aktuelle Chance verstreichen lässt.

„Wer jetzt zögert, verliert. Wer hingegen handelt, kann Bosnien und Herzegowina auf den Weg der Reform, Versöhnung und Integration führen."

Die Botschaft ist klar: Der Sturz Dodiks ist kein Selbstläufer für eine bessere Zukunft Bosniens. Er ist eine Chance, nicht mehr und nicht weniger. Eine Chance, die genutzt werden muss – mit Entschlossenheit, mit klarer Strategie und vor allem ohne die Naivität, die die westliche Balkan-Politik zu lange prägte. Die Zeit der Appeasement-Politik gegenüber ethnonationalistischen Brandstiftern muss endgültig vorbei sein.

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