
Arbeitgeber fordern radikalen Kahlschlag bei der Pflegeversicherung
Während die neue Große Koalition unter Friedrich Merz noch ihre ersten Schritte macht, preschen die Arbeitgeber bereits mit einem Vorschlag vor, der Millionen pflegebedürftige Deutsche hart treffen würde. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fordert in einem noch unveröffentlichten Papier nichts weniger als eine Demontage der Pflegeversicherung, wie wir sie kennen.
Karenzzeiten als Sparmodell auf dem Rücken der Schwächsten
Der perfideste Vorschlag der Arbeitgeberlobby: Pflegebedürftige sollen im ersten Jahr ihrer Betreuung je nach Pflegegrad keine größeren Leistungsansprüche mehr haben. Man stelle sich das einmal vor: Ein Schlaganfallpatient, der von heute auf morgen zum Pflegefall wird, müsste ein ganzes Jahr lang die Kosten selbst tragen oder auf die Unterstützung seiner Familie hoffen. Die BDA rechnet kaltherzig vor, dass sich damit sechs Milliarden Euro einsparen ließen – ein Zehntel der gesamten Pflegeausgaben.
Diese Karenzzeit-Idee ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung des Solidarprinzips. Jahrzehntelang haben die Menschen in die Pflegeversicherung eingezahlt, und wenn sie die Leistungen dann brauchen, sollen sie erst einmal leer ausgehen? Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die ihr Leben lang gearbeitet und Beiträge gezahlt haben.
Der "Nachhaltigkeitsfaktor" – ein Euphemismus für Leistungskürzungen
Als wäre das nicht genug, schlagen die Arbeitgeber auch noch einen sogenannten "Nachhaltigkeitsfaktor" vor, angelehnt an das Rentenmodell. Was sich hinter diesem wohlklingenden Begriff verbirgt, ist nichts anderes als eine automatische Kürzung der Leistungen, wenn die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. In einer alternden Gesellschaft bedeutet das: Die Leistungen werden kontinuierlich schlechter, während die Beiträge weiter steigen.
Die Arbeitgeber fordern, versicherungsfremde Leistungen aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren – allein die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige könnte die Kassen um vier Milliarden Euro entlasten.
Hier zeigt sich die wahre Agenda: Die Arbeitgeber wollen ihre Beitragslast reduzieren und schieben die Verantwortung auf den Steuerzahler ab. Dabei profitieren sie seit Jahren von gut ausgebildeten Arbeitskräften, die oft nur deshalb arbeiten können, weil Angehörige zu Hause gepflegt werden.
16 Milliarden Euro Einsparungen – aber zu welchem Preis?
Insgesamt summieren sich die Vorschläge der BDA auf Einsparungen von mehr als 16 Milliarden Euro jährlich – das entspräche 23 Prozent der Gesamtausgaben von 68,2 Milliarden Euro im Jahr 2024. Doch diese Zahlenspielerei verschleiert die menschliche Dimension: Hinter jeder eingesparten Milliarde stehen Tausende von Pflegebedürftigen und ihren Familien, die alleingelassen werden.
Besonders zynisch ist die Forderung, die Bundesländer sollten "vollumfänglich" ihren Investitionspflichten für Pflegeheime nachkommen. Jahrelang haben die Länder hier versagt, und nun soll diese Versäumnispolitik als Argument für weitere Kürzungen herhalten? Der durchschnittliche Eigenanteil von 3.000 Euro monatlich für einen Heimplatz ist bereits heute für viele Familien eine untragbare Belastung.
Die neue Koalition am Scheideweg
Die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die heute ihre Arbeit aufnimmt, steht vor einer Richtungsentscheidung. Wird die Große Koalition dem Druck der Arbeitgeberlobby nachgeben und die Axt an unser Sozialsystem legen? Oder besinnt sie sich auf die Werte, die unser Land stark gemacht haben: Solidarität mit den Schwachen und Fürsorge für diejenigen, die uns aufgebaut haben?
Die im Koalitionsvertrag vereinbarte "große Pflegereform" darf nicht zu einem großen Kahlschlag werden. Es braucht keine Karenzzeiten und Leistungskürzungen, sondern eine nachhaltige Finanzierung, die die Würde der Pflegebedürftigen wahrt. Alles andere wäre ein Verrat an den Grundwerten unserer Gesellschaft und würde zeigen, dass auch die neue Regierung unter Friedrich Merz die Interessen der Wirtschaft über das Wohl der Bürger stellt.
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