
AfD-Politiker ziehen vor Gericht: Wenn die Wahrheit zur Nebensache wird
Was sich derzeit in den Gerichtssälen Mecklenburg-Vorpommerns abspielt, könnte man als juristische Farce bezeichnen – wäre es nicht so bezeichnend für den Zustand unserer politischen Kultur. Die AfD-Landtagsabgeordneten Enrico Schult und Horst Förster kämpfen mit allen juristischen Mitteln gegen Vorwürfe, die ein erschütterndes Bild vom menschlichen Anstand im Schweriner Landtag zeichnen.
Der Vorwurf wiegt schwer
Der Linken-Politiker Dirk Bruhn, selbst an Parkinson erkrankt, erhob im April dieses Jahres schwere Anschuldigungen: Zwei AfD-Abgeordnete hätten während einer Landtagsdebatte seine krankheitsbedingten Handzittern nachgeäfft. Ein Verhalten, das – sollte es sich bewahrheiten – jegliche Grenzen des politischen Anstands überschreiten würde. Bruhn fand deutliche Worte und bezeichnete die Beschuldigten als „nicht nur politische, sondern auch menschliche Arschlöcher".
Dass er dafür einen Ordnungsruf von Landtagspräsidentin Birgit Hesse erhielt, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Prioritäten im Parlament. Offenbar wiegt die Wortwahl schwerer als der mögliche Hohn über einen kranken Menschen.
Ein juristisches Katz-und-Maus-Spiel
Statt sich der inhaltlichen Auseinandersetzung zu stellen, haben die AfD-Politiker eine wahre Klagewelle losgetreten. Gleich mehrere Gerichte müssen sich nun mit dem Vorgang beschäftigen. Das Landgericht Rostock verhandelte gegen den Rostocker Kreisverband der Linken, das Landgericht Stralsund wird sich mit dem Kreisverband Vorpommern-Rügen befassen, und das Landgericht Schwerin hat bereits eine Entscheidung getroffen.
Besonders pikant: Der Vorsitzende Richter in Rostock stellte sogar die Klagebefugnis der einzelnen AfD-Abgeordneten in Frage. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier möglicherweise mit juristischen Mitteln versucht wird, eine unangenehme Debatte im Keim zu ersticken.
Die Wahrheit bleibt im Dunkeln
Das Landgericht Schwerin wies die Klage der AfD-Politiker gegen Bruhn zwar ab, bestätigte aber auch nicht dessen Darstellung. Ein klassisches Patt, das niemanden weiterbringt. Die entscheidende Frage bleibt unbeantwortet: Haben die AfD-Abgeordneten tatsächlich die Parkinson-Symptome eines Kollegen verhöhnt?
Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Während sich die Gerichte mit Unterlassungsklagen und Formfragen beschäftigen, gerät die eigentliche moralische Dimension des Vorfalls aus dem Blick. Es entsteht der Eindruck, dass hier mit juristischen Winkelzügen versucht wird, eine möglicherweise beschämende Episode zu vertuschen.
Ein Spiegel unserer Zeit
Dieser Vorgang ist symptomatisch für eine politische Kultur, in der Anstand und Respekt zunehmend auf der Strecke bleiben. Wenn Politiker möglicherweise die Krankheit eines Kollegen zum Gegenstand des Spotts machen und anschließend mit einer Armada von Anwälten gegen jeden vorgehen, der darüber berichtet, dann läuft etwas grundlegend schief in unserem Land.
Die Tatsache, dass die Linken-Kreisverbände standhaft bleiben und ihre Erklärungen nicht von ihren Internetseiten entfernen, verdient Respekt. Sie lassen sich offenbar nicht von der juristischen Drohkulisse einschüchtern.
Am 16. Juni wird das Landgericht Rostock seine Entscheidung verkünden. Doch egal wie sie ausfällt – die eigentliche Frage nach Anstand und Würde im politischen Diskurs wird kein Gerichtsurteil beantworten können. Diese Frage müssen wir als Gesellschaft beantworten. Und die Antwort sollte eindeutig sein: Wer die Krankheit eines Menschen verhöhnt, hat in einem Parlament nichts verloren – egal welcher Partei er angehört.