
Wenn der Müll zum Milliardengeschäft wird: Großbritanniens Umweltskandal offenbart mafiöse Strukturen
Was sich derzeit in Großbritannien abspielt, könnte direkt aus einem Mafia-Thriller stammen – nur dass die Protagonisten keine sizilianischen Paten sind, sondern internationale Finanzgiganten, die sich am britischen Müll- und Wassersystem bereichern. Die jüngste Entdeckung einer 150 Meter langen illegalen Müllhalde im beschaulichen Oxfordshire ist dabei nur die Spitze eines stinkenden Eisbergs, der das völlige Versagen einer verfehlten Privatisierungspolitik offenbart.
Ein Naturparadies wird zur Müllkippe
Ausgerechnet in der Region der weltberühmten Oxford-Universität türmen sich nun hunderte Tonnen Plastikabfall im Überschwemmungsgebiet des River Cherwell. Die drohende Umweltkatastrophe ist dabei hausgemacht: Sollte der Fluss über die Ufer treten, könnten toxische Stoffe ins Grundwasser sickern und eine ganze Region verseuchen. Calum Miller, Parlamentsabgeordneter der Liberaldemokraten, forderte zwar eine sofortige Reinigungsaktion – doch das Problem sitzt viel tiefer.
Was hier sichtbar wird, ist das Resultat einer Politik, die vor 36 Jahren während der Wirtschaftskrise begann. Damals beschloss man in einem Anfall neoliberaler Euphorie, die Müll- und Wasserwirtschaft zu privatisieren. Doch statt echten Wettbewerb zu schaffen, öffnete man der Korruption Tür und Tor. Das Ergebnis? Ein System, das an die schlimmsten Zeiten der italienischen Müllmafia erinnert – nur dass hier die Täter in Nadelstreifen daherkommen.
Die "Wet Wipe Island" – Symbol des Versagens
Besonders grotesk zeigt sich das Ausmaß der Misere an der Themse im Westen Londons. Dort hat sich eine gigantische Insel aus Feuchttüchern gebildet, die treffend "Wet Wipe Island" getauft wurde. 180 Tonnen schwer, bis zu einem Meter hoch und auf einer Fläche von zwei Tennisplätzen – das sind die Dimensionen dieses Monuments menschlicher Ignoranz. Und während die britische Umweltbehörde meldet, dass allein 2023 über 3,6 Millionen Stunden lang Rohabwasser in Flüsse und Küstengewässer eingeleitet wurden, steigen die Gebühren für die Bürger munter weiter.
Giles Bristow von "Surfers against Sewage" bringt es auf den Punkt: Die Wasserqualität habe sich trotz aller Versprechen nicht verbessert, dafür seien die Gebühren um jährlich 123 Pfund gestiegen. Ein Schelm, wer dabei an organisierte Abzocke denkt.
Die üblichen Verdächtigen kassieren ab
Wer profitiert von diesem System? Die Liste liest sich wie das Who's Who der internationalen Finanzwelt. BlackRock und Vanguard – diese siamesischen Zwillinge der Vermögensverwaltung – haben sich bei Severn Trent eingekauft. Die Abu Dhabi Investment Authority kontrolliert Thames Water, während die Hongkonger CK Hutchison Holdings mit 75 Prozent bei Northumbrian Water das Sagen hat. Etwa 70 Prozent des Investorenkapitals stammen aus ausländischen Quellen – Geld, das nach astronomischen Renditen giert.
Das Geschäftsmodell ist so simpel wie perfide: Man teilt die Müll- und Wasserwirtschaft regional auf, vergibt Monopollizenzen ohne nennenswerte Regulierung und kassiert dann ab. Die fehlende Verpflichtung zu Mindeststandards oder Infrastrukturinvestitionen ermöglicht Überrenditen, die jeden normalen Unternehmer vor Neid erblassen lassen würden. Die Gewinne fließen ins Ausland, während der britische Steuerzahler auf den ökologischen und gesellschaftlichen Kosten sitzen bleibt.
Ein System, das nach Veränderung schreit
Die Lösung liegt auf der Hand, wird aber von der unheiligen Allianz aus Politik und Monopolisten blockiert: Eine echte Marktöffnung muss her, auch für kleinere, lokale Anbieter. Wettbewerb würde den etablierten Betreibern Beine machen. Zudem müssten Haftungsrisiken und Folgeschäden vollständig internalisiert werden – eine klassische liberale Forderung, gegen die sich die Politik mit Händen und Füßen wehrt.
Ein möglicher Übergangsweg wäre die Hinterlegung eines Kapitalpuffers beim Markteintritt, der für Umweltschäden genutzt werden könnte. Nicht die eleganteste Lösung, aber angesichts der enormen Schulden des britischen Fiskus vielleicht die einzig gangbare.
Was sich in Großbritannien abspielt, sollte uns eine Warnung sein. Wenn essenzielle Bereiche der Daseinsvorsorge ohne echten Wettbewerb und wirksame Kontrolle privatisiert werden, entstehen mafiöse Strukturen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern. Die britischen Müllberge sind dabei nur das sichtbare Symptom einer viel tieferen Krankheit: eines Systems, in dem Profitgier über Gemeinwohl triumphiert und in dem die Politik längst zum willfährigen Handlanger internationaler Finanzinteressen verkommen ist.
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