
Trump ignoriert sinkende Kriminalitätszahlen und fordert Militäreinsatz in US-Städten
Während die Kriminalstatistiken in amerikanischen Großstädten eine erfreuliche Entwicklung zeigen, malt Präsident Donald Trump ein düsteres Bild von außer Kontrolle geratener Gewalt. Seine Drohung, die Nationalgarde in Chicago, New York, Seattle, Baltimore, San Francisco und Portland zu entsenden, wirft die Frage auf: Geht es hier wirklich um Sicherheit oder doch eher um politisches Kalkül?
Die Realität spricht eine andere Sprache
Die nackten Zahlen erzählen eine Geschichte, die so gar nicht ins Narrativ des Präsidenten passen will. Laut Daten von AH Datalytics seien die Mordraten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesunken. Dieser Trend setze sich seit dem Ende der Pandemie fort. Schwere Körperverletzungen, einschließlich nicht-tödlicher Schießereien, seien in Chicago, Portland, Seattle, Baltimore und San Francisco rückläufig gewesen.
John Roman, Direktor des Center on Public Safety & Justice an der University of Chicago, bringt es auf den Punkt: "Wir befinden uns in einem bemerkenswerten Moment, was die Kriminalität in den Vereinigten Staaten angeht." Es gebe keine amerikanische Stadt, in der wirklich eine Krise herrsche.
Wahrnehmung versus Wirklichkeit
Dennoch scheint Trump einen Nerv zu treffen. Eine aktuelle Umfrage des AP-NORC Center zeige, dass 81 Prozent der Amerikaner Kriminalität als "großes Problem" in Großstädten wahrnehmen. Diese Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit nutzt der Präsident geschickt aus. Wenn er Chicago als "Tötungsfeld" bezeichnet, bedient er Ängste, die tief in der amerikanischen Psyche verwurzelt sind.
Die tragischen Ereignisse in Minneapolis diese Woche - ein Schütze tötete zwei Kinder während einer katholischen Messe und verletzte 17 weitere Menschen - erinnern daran, dass Schießereien in den USA weiterhin ein häufiges Ereignis sind. Doch solche Einzelfälle rechtfertigen kaum den Einsatz militärischer Kräfte in amerikanischen Städten.
Politisches Kalkül statt Sicherheitsstrategie?
Auffällig ist, dass Trump ausschließlich demokratisch regierte Städte ins Visier nimmt - allesamt in Bundesstaaten, die 2024 gegen ihn gestimmt haben. Charlotte in North Carolina oder Indianapolis in Indiana, beide mit höheren Kriminalitätsraten als New York, bleiben von seinen Drohungen verschont. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Mordrate in Indianapolis lag 2024 bei 19 pro 100.000 Einwohner - mehr als viermal höher als in New York. In Charlotte stieg die Zahl der Morde von 88 im Jahr 2023 auf 105 im Jahr 2024. Doch von einer Entsendung der Nationalgarde in diese republikanisch geprägten Städte ist keine Rede.
Lokale Lösungen statt Militarisierung
Baltimore zeigt, wie es besser geht. Die Stadt habe durch Mentorenprogramme, soziale Dienste und Jobangebote für gefährdete Jugendliche beeindruckende Erfolge erzielt. Die Mordraten seien in den ersten sechs Monaten 2025 um mehr als 25 Prozent gesunken. Im Vergleich zu 2018 liegen sie sogar 35 Prozent niedriger.
Michael Scott, ehemaliger Polizeichef in Florida und Direktor des Center for Problem-Oriented Policing, bestätigt: "Dieser Ansatz hat zu bedeutenderen Reduzierungen von Schießereien und Morden geführt als jede andere Strategie, die ich in über 50 Jahren in diesem Bereich gesehen habe."
Die Gefahr der Militarisierung
Der Einsatz der Nationalgarde in amerikanischen Städten wirft fundamentale verfassungsrechtliche Fragen auf. Wes Moore, der demokratische Gouverneur von Maryland, warnt eindringlich: "Die Entsendung der Nationalgarde für kommunale Polizeiaufgaben ist weder nachhaltig, noch skalierbar, verfassungskonform oder respektvoll."
Experten befürchten, dass militärische Präsenz in Wohnvierteln mehr Schaden als Nutzen anrichten könnte. Scott warnt: "Es wird die Bewohner denken lassen: Die Dinge müssen viel schlimmer sein, als ich dachte, wenn das Militär in meiner Nachbarschaft ist. Es wird eher unbegründete Angst und Besorgnis erzeugen, als zu Gefühlen der Beruhigung und Sicherheit führen."
Die wahre Gefahr liegt nicht in den Straßen amerikanischer Städte, sondern in der schleichenden Erosion demokratischer Prinzipien. Wenn ein Präsident militärische Gewalt gegen die eigene Bevölkerung ins Spiel bringt, während die Kriminalstatistiken sinken, sollten alle Alarmglocken läuten. Es ist höchste Zeit, dass Amerika zu einer Politik zurückfindet, die auf Fakten statt auf Angstmacherei basiert.
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