
Milliarden im Zwielicht: Jersey ermittelt gegen Abramovich wegen Korruption und Geldwäsche
Die Kanalinsel Jersey hat strafrechtliche Ermittlungen gegen den russischen Oligarchen Roman Abramovich eingeleitet. Im Zentrum der Untersuchungen stehen Korruptionsvorwürfe und der Verdacht auf Geldwäsche im Zusammenhang mit dem Ursprung seines Milliardenvermögens. Dies geht aus Gerichtsdokumenten des Schweizer Bundesstrafgerichts hervor, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Schweizer Bankkonten im Visier der Ermittler
Die Behörden von Jersey hätten erfolgreich die Herausgabe von Dokumenten zu mehreren Schweizer Bankkonten erwirkt, die mutmaßlich mit dem ehemaligen Chelsea-Eigentümer in Verbindung stehen. Schweizer Richter hätten im Mai entschieden, dass Jersey ausreichende Beweise vorgelegt habe, um die Übermittlung der Unterlagen zu rechtfertigen. Unternehmen, die vermutlich mit Abramovich verbunden seien, hätten vergeblich versucht, die Freigabe zu blockieren.
Die Ermittlungen konzentrieren sich auf zwei Hauptaspekte: Zum einen untersuchen die Behörden mögliche Geldwäsche im Zusammenhang mit dem Verkauf von Abramovichs Öl- und Gasunternehmen Sibneft, das 2005 für 13 Milliarden Dollar an die russische Regierung veräußert wurde. Zum anderen stehen potenzielle Sanktionsverstöße im Raum, die sich auf Vermögenstransfers nach der Verhängung von Sanktionen gegen Abramovich im März 2022 beziehen.
Die Sibneft-Milliarden unter der Lupe
Besonders brisant erscheinen die Vorwürfe im Zusammenhang mit Sibneft. Den Gerichtsdokumenten zufolge soll Abramovich in den 1990er Jahren Korruptionszahlungen geleistet haben, während er Sibneft zu einem bedeutenden Energiekonzern aufbaute. Diese Zahlungen, im russischen Sprachgebrauch als "Krysha" (wörtlich: "Dach") bezeichnet, dienten angeblich dazu, politischen Schutz und Einfluss für seine Geschäftsinteressen zu erkaufen.
"Milliarden von Dollar an Vermögenswerten wurden über verschiedene Offshore-Unternehmen, Trusts und Banken transnational transferiert, einschließlich in die Schweiz, ohne erkennbaren wirtschaftlichen Grund", stellten die Schweizer Richter fest.
Die Geschichte dieser Zahlungen ist nicht neu. Bereits 2012 kam sie während eines aufsehenerregenden Rechtsstreits mit seinem ehemaligen Geschäftspartner Boris Berezovsky vor dem Londoner High Court zur Sprache. Abramovich räumte damals ein, Berezovsky Hunderte Millionen Dollar für "Krysha" gezahlt zu haben - angeblich für politischen Schutz seiner Geschäftsinteressen.
Politisch motivierte Ermittlungen?
Die Anwälte der betroffenen Unternehmen werfen den Jersey-Behörden vor, die Ermittlungen seien "politisch motiviert". Sie fragen, warum die Behörden bis 2022 gewartet hätten, um Untersuchungen zu Geldwäschevorwürfen einzuleiten, die auf angeblichen Korruptionshandlungen aus den 1990er Jahren basierten - Vorwürfe, die den Behörden spätestens seit 2012 bekannt gewesen sein müssten.
Diese Frage wirft ein bezeichnendes Licht auf die aktuelle geopolitische Lage. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine 2022 wurden zahlreiche russische Oligarchen mit Sanktionen belegt. Jersey fror damals Vermögenswerte im Wert von über 7 Milliarden Dollar ein, die mutmaßlich mit Abramovich in Verbindung stehen. Die Kanalinsel, die als Steueroase gilt, spielte eine zentrale Rolle bei der Verwaltung von Abramovichs Vermögen durch ein Netzwerk von Offshore-Unternehmen und Trusts.
Die Verteidigung schlägt zurück
Abramovichs Anwälte weisen alle Vorwürfe entschieden zurück. In einer Stellungnahme betonten sie, dass gegen ihren Mandanten keine Anklage erhoben worden sei und es keine laufenden Strafverfahren in Jersey gebe. "Jede Andeutung, dass Herr Abramovich in kriminelle Aktivitäten verwickelt war, ist falsch", erklärten sie.
Die Schweizer Richter sahen dies jedoch anders. Sie befanden, dass Jersey ausreichende Beweise vorgelegt habe, "um den Vorwurf der Geldwäsche mit Bestechung als Vortat zu untermauern". Die Frage, ob die Vermögenswerte legalen Ursprungs seien, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden und werde Gegenstand der Strafverfahren in Jersey sein.
Ein Oligarch im Zwielicht der Geschichte
Roman Abramovich, der als Waise aus der nordrussischen Republik Komi stammt, verkörpert wie kaum ein anderer den kometenhaften Aufstieg während des chaotischen Übergangs Russlands zum Kapitalismus in den 1990er Jahren. Vom Mechaniker zum Öl- und Gashändler, schließlich zum Eigentümer eines Unternehmens mit Lizenzen für einige der wertvollsten Gasreserven Russlands - sein Werdegang liest sich wie ein modernes Märchen mit dunklen Kapiteln.
Der Verkauf von Sibneft 2005 katapultierte ihn in die Liga der globalen Superreichen. Mit den Erlösen investierte er in den FC Chelsea, Luxusimmobilien, Hedgefonds und eine beeindruckende Sammlung moderner europäischer Kunst. Doch nun werfen die Ermittlungen einen Schatten auf den Ursprung dieses Vermögens.
Die Entwicklungen zeigen einmal mehr, wie eng wirtschaftlicher Erfolg und politische Verflechtungen im postsowjetischen Russland miteinander verwoben waren. Während die westliche Welt lange Zeit bereitwillig von den Milliarden der Oligarchen profitierte, rücken nun - unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges - die fragwürdigen Ursprünge dieser Vermögen in den Fokus der Justiz.
Ob die Ermittlungen zu einer Anklage führen werden, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass der Fall Abramovich exemplarisch für eine Ära steht, in der die Grenzen zwischen legitimem Geschäft und Korruption in Russland oft verschwammen - eine Ära, deren Schatten bis heute reichen.
- Themen:
- #Banken