Kettner Edelmetalle
01.06.2025
22:30 Uhr

Mexikos Justizrevolution: Wenn das Volk zum obersten Richter wird

Was sich am vergangenen Sonntag in Mexiko abspielte, gleicht einem politischen Erdbeben, dessen Schockwellen bis nach Europa reichen sollten. Fast hundert Millionen Mexikaner marschierten zu den Wahlurnen, um etwas zu tun, was es in dieser Form noch nie gegeben hat: Sie wählten ihre Richter selbst – vom lokalen Amtsgericht bis hinauf zum Obersten Gerichtshof. Ein Vorgang, der die Grundfesten unseres westlichen Rechtsverständnisses erschüttert.

Das Ende der richterlichen Unabhängigkeit?

Die linksgerichtete Präsidentin Claudia Sheinbaum feiert diese Verfassungsreform als Sieg über die „korrupte Elite" und die „Privilegien" der Richterschaft. Doch was hier als demokratischer Fortschritt verkauft wird, könnte sich als Todesstoß für die Gewaltenteilung erweisen. Wenn Richter nicht mehr nach fachlicher Kompetenz, sondern nach Popularität gewählt werden, verwandelt sich Justitia in eine Marionette des Zeitgeistes.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 881 Bundesrichter und 1749 weitere Richter und Staatsanwälte auf lokaler Ebene standen zur Wahl. Aus einem Pool von 3422 Kandidaten durften die Bürger ihre Favoriten küren. Die formellen Anforderungen? Ein Jurastudium, etwas Berufserfahrung und ein „guter Ruf" – was auch immer das in einem Land bedeuten mag, in dem Drogenkartelle ganze Regionen kontrollieren.

Wenn Kartelle die Justiz kapern

Hier offenbart sich die wahre Gefahr dieser Reform: In einem Land, wo das organisierte Verbrechen Milliarden umsetzt und Politiker wie Schachfiguren verschiebt, werden nun auch Richter zur Zielscheibe. Wer glaubt ernsthaft, dass ein gewählter Richter in Sinaloa oder Michoacán unabhängig gegen die Kartelle urteilen könne? Die Drohung liegt nicht mehr nur in der Bestechung, sondern bereits im Wahlkampf selbst.

Die USA und Human Rights Watch warnen nicht ohne Grund vor dieser Entwicklung. Was Sheinbaum als „Demokratisierung der Justiz" preist, könnte sich als Einfallstor für systematische Manipulation erweisen. Wenn Richter um Wählerstimmen buhlen müssen, werden sie zu Politikern in Roben – abhängig von Kampagnengeldern, Medienunterstützung und der Gunst einflussreicher Gruppen.

Ein gefährliches Vorbild für Europa?

Während in Deutschland die Ampelregierung mit ihrer ideologiegetriebenen Politik das Vertrauen in staatliche Institutionen untergräbt, sollte uns Mexikos Experiment als mahnendes Beispiel dienen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist kein „Privileg", sondern das Fundament eines funktionierenden Rechtsstaates. Wer dieses Fundament aushöhlt – sei es durch direkte Richterwahlen oder durch politische Einflussnahme auf Staatsanwaltschaften –, sägt am Ast, auf dem die freiheitliche Gesellschaft sitzt.

Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet eine linke Regierung, die sonst gerne von „Demokratiefeinden" spricht, demontiert hier einen der wichtigsten Pfeiler der Demokratie. Die Gewaltenteilung, einst erkämpft gegen absolutistische Herrscher, wird nun im Namen des „Volkes" geschleift. Doch was folgt, ist nicht mehr Demokratie, sondern Ochlokratie – die Herrschaft des Mobs.

Die Lehre für Deutschland

Mexikos Justizreform sollte uns wachrütteln. Wenn wir zulassen, dass ideologische Grabenkämpfe unsere Institutionen zersetzen, wenn Richter nach politischer Gesinnung statt nach Recht und Gesetz urteilen, dann ist der Weg zur mexikanischen „Lösung" nicht mehr weit. Die Unabhängigkeit der Justiz mag manchmal unbequem sein – besonders für Politiker, die gerne durchregieren würden. Doch genau darin liegt ihr Wert: Sie schützt uns vor der Tyrannei der Mehrheit und vor dem Missbrauch staatlicher Macht.

Was in Mexiko als „Weltpremiere" gefeiert wird, könnte sich als Tragödie erweisen. Ein Land, das seine Richter der Willkür des Wahlvolks und dem Einfluss krimineller Organisationen ausliefert, hat den Rechtsstaat bereits aufgegeben. Hoffen wir, dass diese „Innovation" nicht exportiert wird – weder nach Europa noch sonst wohin.

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