Kettner Edelmetalle
28.08.2025
14:43 Uhr

Macron fordert digitale Vergeltung: Europas Antwort auf Trumps Zoll-Drohungen

Die transatlantischen Handelsbeziehungen stehen erneut vor einer dramatischen Eskalation. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat seine Minister angewiesen, Vergeltungsmaßnahmen gegen den amerikanischen Digitalsektor zu prüfen, nachdem US-Präsident Donald Trump neue Zolldrohungen gegen europäische Tech-Regulierungen ausgesprochen hatte. Diese Entwicklung offenbart einmal mehr die tiefe Kluft zwischen den Handelspartnern – und die Schwäche der europäischen Position.

Macrons digitaler Gegenschlag

Bei der wöchentlichen Kabinettssitzung am Mittwoch machte Macron deutlich, dass Europa "nicht ausschließen sollte, einen Blick auf den digitalen Sektor zu werfen". Diese Aussage, die von einem hochrangigen französischen Regierungsbeamten bestätigt wurde, markiert eine deutliche Verschärfung des Tons gegenüber Washington. Der französische Präsident verwies dabei auf das erhebliche Handelsdefizit der EU mit den Vereinigten Staaten im Dienstleistungssektor – ein wunder Punkt, den Trump geschickt für seine Drohkulisse nutzt.

Die Ironie dabei: Während die EU bei Waren wie Automobilen, Pharmazeutika und Lebensmitteln einen Handelsüberschuss verzeichnet, dominieren amerikanische Tech-Giganten den europäischen Digitalmarkt nahezu unangefochten. Macrons Vorstoß zielt genau auf diese Achillesferse der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen.

Trumps überraschender Schachzug

Die jüngste Eskalation kam für Brüssel völlig unerwartet. Nur Wochen nachdem Washington und die EU einen Handelsdeal mit einem Basiszoll von 15 Prozent auf EU-Exporte in die USA vereinbart hatten, legte Trump am Montag nach. Seine Drohung, weitere Zölle gegen Länder zu verhängen, deren digitale Regelungen seiner Ansicht nach amerikanische Unternehmen diskriminieren, traf die EU-Beamten wie ein Schlag ins Gesicht.

"Die Europäische Union hat ein großes Handelsdefizit mit den Vereinigten Staaten, darauf müssen wir uns konzentrieren"

Diese Worte Macrons spiegeln die wachsende Frustration in Paris wider. Die Trump-Administration kritisiert seit Monaten das digitale Regelwerk der EU und behauptet, der Digital Services Act und der Digital Markets Act würden amerikanische Bürger zensieren und US-Unternehmen unfair ins Visier nehmen. Eine Sichtweise, die in Europa zunehmend als Vorwand für protektionistische Maßnahmen gesehen wird.

Europas zahnloser Tiger?

Die Reaktion der EU auf Trumps Drohgebärden offenbart ein fundamentales Problem: Während Frankreich traditionell eine härtere Gangart gegen Trump fordert, fehlt der Mehrheit der EU-Länder schlichtweg der Appetit auf einen ausgewachsenen Handelskrieg. Brüssel hat bisher davon abgesehen, Gegenzölle zu verhängen oder seine sogenannte "Handelsbazooka" – das Anti-Zwangsinstrument – zu aktivieren.

Dieses Instrument könnte theoretisch dazu verwendet werden, die geistigen Eigentumsrechte amerikanischer Tech-Giganten einzuschränken oder sie von Investitionen in der EU auszuschließen. Doch die Realität sieht anders aus: Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die auf dem Höhepunkt der jüngsten transatlantischen Handelsspannungen noch vollmundig verkündete, dass "alle Instrumente auf dem Tisch liegen", scheute letztendlich vor einer harten Linie zurück.

Die Ukraine-Karte

Der Grund für diese Zurückhaltung liegt auf der Hand: Europa braucht die USA als Partner bei den Bemühungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Diese geopolitische Abhängigkeit schwächt die europäische Verhandlungsposition erheblich und gibt Trump freie Hand, seine "America First"-Agenda durchzusetzen.

Macrons verhüllte Unzufriedenheit mit dem geschlossenen Handelsdeal spricht Bände. Seine Einschätzung, dass Europa "nicht genug gefürchtet wurde", um einen guten Deal zu bekommen, trifft den Nagel auf den Kopf. Die EU präsentiert sich einmal mehr als wirtschaftlicher Riese, aber politischer Zwerg.

Der deutsch-französische Schulterschluss?

Interessanterweise plant Macron, diese Angelegenheit noch diese Woche mit Bundeskanzler Friedrich Merz zu besprechen. Das Treffen in Macrons Sommerresidenz Fort Brégançon und der südfranzösischen Stadt Toulon könnte wegweisend für die europäische Antwort auf Trumps Handelspolitik sein.

Ob Merz, der als pragmatischer Konservativer gilt, Macrons konfrontativeren Kurs unterstützen wird, bleibt abzuwarten. Die neue deutsche Regierung unter seiner Führung hat bisher eine ausgewogenere Position gegenüber den USA eingenommen als ihre Vorgänger. Doch der wachsende Druck aus Washington könnte auch Berlin zu einem Umdenken zwingen.

Ein Weckruf für Europa

Die aktuelle Krise sollte Europa als Weckruf dienen. Die digitale Souveränität des Kontinents steht auf dem Spiel, während amerikanische Tech-Konzerne weiterhin den europäischen Markt dominieren und gleichzeitig von ihrer Regierung vor europäischen Regulierungen geschützt werden. Macrons Vorstoß, den digitalen Sektor ins Visier zu nehmen, könnte der erste Schritt zu einer selbstbewussteren europäischen Handelspolitik sein.

Doch solange die EU-Mitgliedstaaten uneins bleiben und geopolitische Abhängigkeiten ihre Handlungsfähigkeit einschränken, wird Trump weiterhin die Oberhand behalten. Europa muss sich entscheiden: Will es weiterhin der Juniorpartner in einer zunehmend einseitigen transatlantischen Beziehung bleiben, oder ist es bereit, für seine wirtschaftlichen Interessen einzustehen – auch wenn das bedeutet, sich mit dem mächtigsten Verbündeten anzulegen?

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Macrons digitale Vergeltungspläne mehr sind als nur heiße Luft. Eines ist jedoch sicher: Die Zeit des naiven Multilateralismus ist vorbei. In Trumps Welt des transaktionalen Handels zählt nur eines – Stärke. Und die muss Europa erst noch beweisen.

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