
Lufthansa-Piloten drohen mit Streik: Wenn Betriebsrenten zum Spielball werden
Die deutsche Vorzeige-Airline Lufthansa steht möglicherweise vor einem neuen Arbeitskampf. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) lässt ihre rund 4.800 Mitglieder über einen Streik abstimmen, nachdem die Verhandlungen zur betrieblichen Altersversorgung nach sieben ergebnislosen Runden gescheitert sind. Ab kommenden Freitag können die Piloten der Lufthansa und ihrer Frachttochter Lufthansa Cargo ihr Votum abgeben – die Urabstimmung läuft voraussichtlich bis Ende September.
Das kapitalmarktfinanzierte Dilemma
Was sich hier abspielt, ist symptomatisch für einen besorgniserregenden Trend in der deutschen Wirtschaft. Bis 2017 erhielten Lufthansa-Piloten noch eine klassische Betriebsrente mit garantierten Auszahlungen – ein verlässliches Modell, das Planungssicherheit bot. Doch dann kam der Systemwechsel: Auf Drängen des Arbeitgebers wurde auf ein kapitalmarktfinanziertes Modell umgestellt. Die Folge? Die Renditen reichen nicht aus, um das frühere Niveau auch nur annähernd zu erreichen.
VC-Tarifkommissionssprecher Arne Karstens bringt es auf den Punkt: „Wir akzeptieren das kapitalmarktorientierte System, aber wenn die Rendite nicht reicht, muss die Arbeitgeberseite höhere Beiträge leisten." Eine durchaus nachvollziehbare Forderung, wenn man bedenkt, dass die betriebliche Altersvorsorge für Piloten einen zentralen Baustein ihrer Absicherung darstellt.
Blockadehaltung als Verhandlungsstrategie?
Die Worte von VC-Präsident Andreas Pinheiro lassen tief blicken: „Es läuft immer nach demselben Muster: Der Arbeitgeber blockiert und mauert, lehnt alles ab, geht auf keinen Kompromiss ein – und beklagt sich anschließend, wenn wir den Verhandlungstisch verlassen." Sieben Verhandlungsrunden ohne ernsthaftes Angebot – das wirft kein gutes Licht auf die Verhandlungsführung der Lufthansa.
Besonders pikant wird die Situation, wenn man sich die wirtschaftliche Lage der Lufthansa vor Augen führt. Trotz Rekordauslastung musste der Konzern im März einen herben Gewinneinbruch verkraften. Statt die eigenen Mitarbeiter – insbesondere jene, die täglich die Verantwortung für hunderte Menschenleben tragen – angemessen abzusichern, scheint man lieber auf Zeit zu spielen.
Ein Muster mit Methode
Was sich bei der Lufthansa abspielt, ist kein Einzelfall. Immer mehr Unternehmen verabschieden sich von verlässlichen Betriebsrenten und schieben das Risiko auf ihre Mitarbeiter ab. Die Zeche zahlen am Ende die Arbeitnehmer, die im Alter mit deutlich weniger auskommen müssen als ursprünglich versprochen. Während die Inflation galoppiert und die Lebenshaltungskosten explodieren, werden ausgerechnet bei der Altersvorsorge Abstriche gemacht.
Die Piloten haben durchaus recht, wenn sie auf höhere Arbeitgeberbeiträge pochen. Wer von seinen Mitarbeitern Höchstleistungen erwartet, muss auch bereit sein, für deren Absicherung im Alter zu sorgen. Das ist keine Großzügigkeit, sondern schlicht eine Frage der Verantwortung und des Anstands.
Streik als letztes Mittel
Bis zum Abschluss der Urabstimmung sind zwar keine Arbeitskampfmaßnahmen vorgesehen, doch die Zeichen stehen auf Sturm. Der letzte Pilotenstreik bei der Lufthansa liegt bereits drei Jahre zurück – 2022 legten die Piloten für einen Tag die Arbeit nieder. Sollte die Urabstimmung positiv ausfallen, könnten bald wieder zehntausende Passagiere von Flugausfällen betroffen sein.
Es bleibt zu hoffen, dass die Lufthansa-Führung zur Vernunft kommt und ein faires Angebot vorlegt. Die Alternative wäre ein kostspieliger Arbeitskampf, der niemandem nützt – weder dem Unternehmen noch den Passagieren. Aber vielleicht braucht es genau diesen Druck, um die Blockadehaltung aufzubrechen. Denn eines sollte klar sein: Wer bei der Altersvorsorge seiner Mitarbeiter spart, spart am falschen Ende.
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