Kettner Edelmetalle
03.09.2025
07:12 Uhr

Kriegsdienstverweigerung: Wenn die Angst vor dem Ernstfall die Jugend packt

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während die Große Koalition unter Friedrich Merz über neue Wehrdienstmodelle debattiert, explodieren die Anfragen bei den Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung förmlich. Was sich hier abzeichnet, ist nichts weniger als eine Generation, die beim ersten Hauch von Verantwortung in Deckung geht.

Die Flucht vor der Pflicht nimmt Fahrt auf

Michael Schulze von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft berichtet von einem regelrechten Ansturm auf die Beratungsstellen. Die Zahlen seiner Organisation sprechen Bände: Von 24.151 Website-Aufrufen im Mai schoss die Zahl im August auf satte 54.946 hoch. Ein Plus von über 127 Prozent – und das nur, weil das Wort "Wehrpflicht" wieder durch die Medien geistert.

Besonders pikant: Seit dem Kabinettsbeschluss der neuen Bundesregierung empfehlen die Berater nun allen nach dem 1. Januar 2010 Geborenen, prophylaktisch einen Verweigerungsantrag zu stellen. Die Strategie des "unter dem Radar Fliegens" sei passé, heißt es. Man könnte auch sagen: Die organisierte Drückebergerei hat eine neue Qualität erreicht.

Zahlen, die nachdenklich stimmen sollten

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben verzeichnete in der ersten Jahreshälfte 2025 bereits 1.363 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung. Zum Vergleich: 2022 waren es im gesamten Jahr nur 951. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden meldet einen Anstieg der Beratungsanfragen um über 30 Prozent.

"Bei uns gehen immer mehr Anfragen ein, wenn das Thema Wehrdienst und Wehrpflicht in den Medien ist", so Schulze von Glaßer. Eine bemerkenswerte Aussage, die zeigt, wie reflexartig die Abwehrhaltung geworden ist.

Ein Symptom unserer Zeit

Was wir hier erleben, ist symptomatisch für den Zustand unserer Gesellschaft. Während unsere östlichen Nachbarn angesichts realer Bedrohungen ihre Verteidigungsfähigkeit stärken, während der Ukraine-Krieg weiter tobt und die geopolitischen Spannungen zunehmen, reagiert ein Teil der deutschen Jugend mit vorauseilender Verweigerung.

Die neue Große Koalition unter Merz steht vor einem Dilemma: Einerseits müsse Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit stärken, andererseits scheint ein nicht unerheblicher Teil der potenziellen Rekruten bereits die Flucht ergriffen zu haben, bevor überhaupt konkrete Pläne vorliegen.

Die Ironie der Geschichte

Besonders bitter: Dieselbe Generation, die bei "Fridays for Future" für ihre Zukunft demonstriert, scheint nicht bereit zu sein, diese Zukunft im Ernstfall auch zu verteidigen. Man fordert vom Staat Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und sichere Renten – aber wenn es darum geht, selbst einen Beitrag zur Sicherheit des Landes zu leisten, ist die Bereitschaft offenbar begrenzt.

Die Beratungsstellen haben ihren "Strategiewechsel" vollzogen und empfehlen nun die präventive Verweigerung. Man könnte es auch anders formulieren: Die systematische Aushöhlung der Wehrbereitschaft wird professionell organisiert. In Zeiten, in denen Russland seine Militärausgaben massiv erhöht und China seine Machtansprüche immer offener artikuliert, sendet Deutschland das Signal: Wir sind nicht bereit.

Was bedeutet das für Deutschlands Zukunft?

Die explodierenden Verweigerungszahlen werfen fundamentale Fragen auf. Wie soll ein Land seine Souveränität wahren, wenn die Bereitschaft zur Verteidigung derart erodiert? Wie glaubwürdig sind Bündnisverpflichtungen, wenn die eigene Jugend beim ersten Anzeichen einer möglichen Dienstpflicht in Scharen davonläuft?

Die neue Bundesregierung wird sich dieser unbequemen Realität stellen müssen. Die romantische Vorstellung, man könne in einer zunehmend unsicheren Welt auf reine Diplomatie und gute Worte setzen, während andere aufrüsten und expandieren, erweist sich als gefährliche Illusion.

Es ist Zeit für eine ehrliche Debatte: Wollen wir ein Land sein, das seine Freiheit und Werte verteidigen kann, oder überlassen wir diese Aufgabe anderen? Die steigenden Verweigerungszahlen geben bereits eine beunruhigende Antwort.

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