
KI-Revolution in deutschen Konzernen: VW-Manager prophezeit das Ende der aufgeblähten Verwaltungsapparate
Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem gewaltigen Umbruch. Während die Konzerne jahrzehntelang ihre Verwaltungsapparate zu wahren Bürokratie-Monstern aufgebläht haben, könnte nun die Künstliche Intelligenz das längst überfällige Ende dieser ineffizienten Strukturen einläuten. Thymian Bussemer, HR-Strategiechef bei Volkswagen, zeichnet im Interview ein Bild, das viele Büroarbeiter aufschrecken dürfte: Die alte Deutschland AG löse sich auf, verkündet er mit bemerkenswerter Offenheit.
Ministeriums-ähnliche Strukturen vor dem Aus
Was Bussemer hier beschreibt, ist nichts weniger als eine Revolution in den Chefetagen deutscher Konzerne. Seit den 1950er Jahren hätten sich in den Hauptverwaltungen "gigantische Bürokratien mit Ministeriums-ähnlichen Strukturen" entwickelt, gefüllt mit Juristen, Controllern und Personalern. Man könnte meinen, der Manager spreche hier von einem aufgeblähten Staatsapparat – doch nein, es geht um die Privatwirtschaft, die sich offenbar jahrzehntelang den Luxus überdimensionierter Verwaltungen geleistet hat.
Ein besonders eindrückliches Beispiel liefert Bussemer gleich mit: Wenn ein Automobilhersteller einen Zulieferer beauftrage, prallen Allgemeine Geschäftsbedingungen von 150 Seiten auf solche mit 70 Seiten Umfang. Früher hätten hochbezahlte Juristen tagelang diese Papierberge durchforstet – heute erledige das die KI in Sekundenschnelle. Man fragt sich unwillkürlich: Warum erst jetzt?
Die Hälfte aller Bürojobs in Gefahr?
Ford-Chef Jim Farley hatte bereits prophezeit, dass jede zweite White-Collar-Stelle wegfallen könnte. Bussemer relativiert zwar geschickt – er spricht davon, dass vielleicht 50 Prozent der Aufgaben betroffen seien, nicht unbedingt 50 Prozent der Stellen. Doch zwischen den Zeilen liest sich seine Botschaft eindeutig: Die fetten Jahre für Verwaltungsangestellte sind vorbei. Die Headquarters deutscher Konzerne würden "in einigen Jahren deutlich schlanker sein".
Besonders pikant: Während die Verwaltungsbereiche beim KI-Einsatz noch hinterherhinken würden, seien die produkt- und kundennahen Bereiche bereits weiter. Es scheint, als hätten sich die Verwaltungsapparate so lange in ihrer eigenen Trägheit gesonnt, dass sie nun von der technologischen Entwicklung überrollt werden.
Brüsseler Regulierungswahn als Rettungsanker?
Fast schon zynisch mutet es an, wenn Bussemer den "durch Brüsseler Regulierung verursachten Mehraufwänden" erwähnt. Könnte es sein, dass die überbordende EU-Bürokratie zum letzten Rettungsanker für deutsche Verwaltungsangestellte wird? Neue Compliance-Vorschriften hier, erweiterte Haftungsregeln dort – die Eurokraten in Brüssel scheinen unermüdlich neue Beschäftigungsfelder für Juristen und Controller zu schaffen.
Doch selbst dieser künstlich geschaffene Komplexitätsaufwuchs wird die Entwicklung wohl nur verzögern, nicht aufhalten können. Die KI-Revolution komme nach einer "langen Anbahnungsphase" nun mit Macht, prognostiziert Bussemer. Es werde "schnell zu sehr spürbaren Veränderungen kommen".
Demographischer Wandel als willkommene Ausrede
Geradezu erleichtert klingt Bussemer, wenn er auf den demographischen Wandel zu sprechen kommt. Die KI komme "gerade rechtzeitig", um fehlende Fachkräfte und ausscheidende Baby-Boomer zu kompensieren. Wie praktisch! So muss sich niemand mit der unangenehmen Frage auseinandersetzen, warum deutsche Konzerne jahrzehntelang ineffiziente Strukturen gepflegt und gehegt haben.
Immerhin: Bussemer sieht in der KI auch eine Chance, Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, statt sie ins Ausland zu verlagern. Die "intelligente KI" könne helfen, Arbeitskosten zu reduzieren und Know-how im Land zu behalten. Ein schwacher Trost für all jene, deren Jobs demnächst von Algorithmen übernommen werden.
Die wahre Revolution steht noch bevor
Was Bussemer hier beschreibt, ist erst der Anfang. Während die Automatisierung in der Produktion seit den 1950er Jahren voranschreitet, trifft es nun erstmals massiv die Wissensarbeiter. "Mit einem solchen Schub hätten noch vor zehn Jahren die wenigsten Experten gerechnet", gibt Bussemer zu.
Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet jene hochqualifizierten Büroarbeiter, die sich jahrzehntelang sicher vor Automatisierung wähnten, werden nun von der KI-Welle erfasst. Die aufgeblähten Verwaltungsapparate deutscher Konzerne, Symbol einer vergangenen Ära des Wohlstands und der Selbstgefälligkeit, stehen vor ihrer Auflösung.
Es bleibt die Frage: Werden deutsche Unternehmen diese erzwungene Verschlankung nutzen, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden? Oder werden sie die freiwerdenden Ressourcen in neue bürokratische Strukturen investieren, um den nächsten Regulierungswahn aus Brüssel zu bewältigen? Die Vergangenheit lässt wenig Hoffnung auf ersteres.
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