
Kasachstans fragwürdige Friedensinitiative: Wenn "schlechter Frieden" zur Kapitulation wird
Der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokajew hat in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj sein "bedingungsloses" Interesse an einem dauerhaften Frieden in der Ukraine bekundet. Was auf den ersten Blick wie eine noble diplomatische Geste erscheinen mag, offenbart bei genauerer Betrachtung die gefährliche Naivität einer Position, die letztendlich dem Aggressor in die Hände spielen könnte.
Die Weisheit des Appeasements?
Besonders aufschlussreich ist Tokajews Rückgriff auf die angeblich "alte Weisheit": "Ein schlechter Frieden ist besser als ein guter Streit." Diese Maxime, die der kasachische Präsident als Leitlinie für die Konfliktlösung präsentiert, könnte kaum unpassender sein. Hätte man diese Logik in den 1940er Jahren angewandt, würde heute vermutlich halb Europa unter totalitärer Herrschaft stehen.
Die Geschichte lehrt uns, dass ein "schlechter Frieden" oft nichts anderes ist als eine Einladung zu weiterer Aggression. Chamberlains Appeasement-Politik gegenüber Hitler sollte eigentlich Warnung genug sein. Doch offenbar haben nicht alle Staatsmänner diese Lektion verinnerlicht.
Territoriale Integrität als verhandelbares Gut?
Tokajew spricht von der "Komplexität des territorialen Problems" und bezeichnet es als "oft unüberwindbares Hindernis" für Friedensvereinbarungen. Diese Relativierung grundlegender völkerrechtlicher Prinzipien ist besorgniserregend. Die territoriale Integrität souveräner Staaten ist kein verhandelbares Gut, sondern ein fundamentales Prinzip der internationalen Ordnung.
"Aber jetzt ist die Hauptpriorität die Bewahrung der ukrainischen Staatlichkeit auf der Grundlage unerschütterlicher internationaler Garantien für die Sicherheit der Ukraine"
Diese Aussage Tokajews klingt zunächst unterstützend, doch sie impliziert eine gefährliche Hierarchie: Erst kommt das nackte Überleben des Staates, dann erst seine territoriale Integrität. Das ist genau die Art von Denken, die Aggressoren ermutigt.
Trumps gefährlicher Vorschlag
Die Brisanz von Tokajews Position wird noch deutlicher vor dem Hintergrund von Donald Trumps jüngstem Vorschlag eines "Gebietsaustauschs" zwischen Russland und der Ukraine. Der US-Präsident, der für den 15. August ein Treffen mit Wladimir Putin in Alaska angekündigt hat, scheint bereit, über den Kopf der Ukraine hinweg deren territoriale Zukunft zu verhandeln.
Selenskyjs Reaktion war eindeutig und prinzipienfest: Die ukrainische Verfassung lasse keine Gebietsabtretungen zu, und die Ukrainer würden ihr Land nicht dem Besatzer schenken. Diese klare Haltung steht in wohltuendem Kontrast zu den schwammigen Friedensappellen aus Kasachstan.
Die Gefahr falscher Äquidistanz
Tokajews Betonung eines "ausgewogenen und rationalen" Ansatzes zur Konfliktlösung mag diplomatisch klug klingen, verkennt aber die fundamentale Asymmetrie des Konflikts. Hier gibt es einen eindeutigen Aggressor und ein überfallenes Land. Eine "ausgewogene" Position zwischen Täter und Opfer einzunehmen, bedeutet letztlich, die Aggression zu legitimieren.
Kasachstan, selbst ein postsowjetischer Staat mit einer bedeutenden russischsprachigen Minderheit, sollte eigentlich ein vitales Interesse daran haben, dass das Prinzip der territorialen Integrität gewahrt bleibt. Die Geschichte zeigt, dass Präzedenzfälle territorialer Annexionen selten isolierte Ereignisse bleiben.
Was wirklich auf dem Spiel steht
Der Ukraine-Konflikt ist mehr als nur ein regionaler Streit. Es geht um die Grundfesten der internationalen Ordnung, um das Recht souveräner Staaten auf Selbstbestimmung und territoriale Integrität. Wer diese Prinzipien zur Disposition stellt, öffnet die Büchse der Pandora.
Selenskyjs Warnung, dass es "extrem gefährlich für jede Nation" sei, wenn unabhängige Staaten einfach als "Territorium" betrachtet und aufgeteilt würden, trifft den Kern der Sache. Die Geschichte hat gezeigt: Wenn solche Ungerechtigkeit gegen einen Staat zugelassen wird, endet es nicht dort.
In Zeiten wie diesen, in denen die regelbasierte internationale Ordnung unter Druck steht, braucht es klare Positionen und prinzipienfeste Haltungen. Kasachstans vermeintlich vermittelnde Position mag gut gemeint sein, doch sie verkennt, dass es in diesem Konflikt nicht um Kompromisse um jeden Preis gehen kann. Es geht um die Verteidigung fundamentaler Prinzipien, ohne die eine friedliche Koexistenz von Staaten unmöglich wird.
Die wahre Weisheit liegt nicht darin, einen "schlechten Frieden" zu akzeptieren, sondern darin, für einen gerechten Frieden einzustehen – einen Frieden, der auf der Achtung des Völkerrechts und der Souveränität aller Staaten beruht. Alles andere wäre eine Einladung zu weiterer Aggression und würde die Welt unsicherer machen.
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