Kettner Edelmetalle
04.09.2025
07:34 Uhr

Gesundheit zwischen Shampoo und Seife: Wenn Drogeriemärkte zu Pseudo-Arztpraxen mutieren

Die Drogeriemarktkette dm wagt sich auf gefährliches Terrain. Zwischen Waschmittel und Wimperntusche sollen Kunden künftig ihre Netzhaut fotografieren, ihre Haut per KI analysieren und ihr Blut untersuchen lassen. Was als innovative Gesundheitsdienstleistung verkauft wird, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als fragwürdiges Geschäftsmodell, das die ohnehin angespannte Lage im deutschen Gesundheitswesen weiter verschärfen könnte.

Der schleichende Wandel vom Drogeriemarkt zur Gesundheitspraxis

Das Karlsruher Unternehmen testet derzeit in ausgewählten Filialen ein Angebot, das selbst hartgesottene Kritiker der deutschen Gesundheitspolitik aufhorchen lässt. Für 14,95 Euro bekommen Kunden eine Netzhautfotografie samt Sehtest – durchgeführt nicht etwa von ausgebildetem Fachpersonal, sondern in einer Box mitten zwischen Zahnpasta und Duschgel. Die KI-gestützte Hautanalyse gibt es sogar kostenlos, vermutlich als Lockmittel für die kostenpflichtigen Zusatzleistungen.

Besonders pikant: Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen berichtet von einem Selbstversuch ihres Präsidenten Ralph von Kiedrowski, der eine falsche Diagnose erhielt – garniert mit Produktempfehlungen aus dem dm-Sortiment. Ein Schelm, wer dabei an geschickte Verkaufsstrategien denkt.

Ärzte schlagen Alarm – zu Recht

Die Kritik der Ärzteverbände fällt vernichtend aus. Sie monieren nicht nur die Nichteinhaltung fachlicher Standards, sondern warnen vor den Konsequenzen dieser Pseudo-Medizin. Besonders brisant sei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Hautanalyse. Muttermale mit Verdacht auf schwarzen Hautkrebs könnten per Foto niemals seriös beurteilt werden – eine Tatsache, die dm geflissentlich zu ignorieren scheint.

"Eine nicht unerhebliche Anzahl an Patientinnen und Patienten, die Online-Hautchecks nutzen, können gar nicht abschließend rein digital versorgt werden", warnt Kiedrowski eindringlich.

Die Befürchtung der Mediziner: Verunsicherte Kunden mit fehlerhaft auffälligen Befunden würden die ohnehin überlasteten Arztpraxen zusätzlich fluten. Ein Teufelskreis, der das deutsche Gesundheitssystem weiter an seine Grenzen bringen könnte.

Die fadenscheinige Verteidigung von dm

Sebastian Bayer, dm-Geschäftsführer im Ressort Marketing + Beschaffung, versucht die Wogen zu glätten. Man handle ja nicht medizinisch, sondern biete lediglich eine "ergänzende Orientierung". Die telemedizinische Behandlung werde "ausschließlich von erfahrenen Fachärzten" durchgeführt. Doch diese Rechtfertigungen wirken wie der verzweifelte Versuch, ein fragwürdiges Geschäftsmodell schönzureden.

Der Verweis auf volle Praxen und monatelange Wartezeiten mag zwar die Realität widerspiegeln, rechtfertigt aber keinesfalls die Verlagerung medizinischer Leistungen in die Konsumtempel der Nation. Hier wird ein strukturelles Problem des Gesundheitswesens – verursacht durch jahrelange Fehlpolitik der Bundesregierung – schamlos für kommerzielle Zwecke ausgenutzt.

Verbraucherschützer warnen vor gefährlicher Entwicklung

Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bringt es auf den Punkt: "Je gesundheitsrelevanter eine Thematik ist, desto mehr ist sie beim Arzt angesiedelt." Eine Krebsdiagnose sei nichts, was man "en passant" zwischen Einkaufstüten machen könne.

Die Parallelen zu den umstrittenen IGeL-Leistungen sind unübersehbar. Doch während diese wenigstens in einem medizinischen Umfeld stattfinden, degradiert dm die Gesundheitsvorsorge zum Shoppingerlebnis. Ein gefährlicher Präzedenzfall, der Schule machen könnte.

Ein Blick in die dystopische Zukunft

Während Rossmann und Müller die Entwicklungen "aufmerksam beobachten", scheint dm entschlossen, den Weg der Kommerzialisierung medizinischer Leistungen weiterzugehen. Die "Gesundheitswelt" als Shop-in-Shop-Konzept bei Müller mit bis zu 120 Quadratmetern Verkaufsfläche zeigt, wohin die Reise gehen könnte: Gesundheit als Lifestyle-Produkt, vermarktet zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Apothekenkosmetik.

In einem Land, in dem die Große Koalition unter Friedrich Merz trotz gegenteiliger Versprechen ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen plant und damit die Inflation weiter anheizt, während gleichzeitig das Gesundheitssystem kollabiert, erscheint diese Entwicklung fast schon folgerichtig. Die Bürger werden im Stich gelassen und sollen sich ihre Gesundheitsvorsorge nun beim Drogeriemarkt erkaufen.

Fazit: Ein gefährlicher Irrweg

Was dm als Innovation verkauft, ist in Wahrheit ein Symptom des Versagens unserer Gesundheitspolitik. Statt das Problem an der Wurzel zu packen und für ausreichend Ärzte und funktionierende Strukturen zu sorgen, überlässt man das Feld kommerziellen Anbietern. Die Leidtragenden sind die Bürger, die zwischen falschen Diagnosen, verunsichernden KI-Analysen und überteuerten Pseudo-Untersuchungen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.

Es bleibt zu hoffen, dass die deutliche Kritik der Ärzteverbände und Verbraucherschützer Wirkung zeigt. Denn eines ist sicher: Die Gesundheit der Menschen gehört in die Hände von Fachleuten – nicht zwischen Shampoo-Regale und Kassenbons.

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