
Genozid-Vorwurf gegen Israel: Wenn Wissenschaft zur Waffe wird
Die Internationale Vereinigung der Genozid-Forscher (IAGS) hat mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die Israels Vorgehen im Gaza-Streifen als Völkermord einstuft. 86 Prozent der abstimmenden Mitglieder der weltweit größten Vereinigung von Genozid-Experten stimmten dafür – ein Ergebnis, das in seiner Deutlichkeit kaum zu übersehen ist. Doch was sagt es über den Zustand der akademischen Welt aus, wenn Wissenschaftler sich derart einseitig positionieren?
Die schwerwiegenden Anschuldigungen im Detail
Die Resolution der IAGS liest sich wie eine Anklageschrift: Israel habe "systematische und weitverbreitete Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Genozid" begangen. Die Wissenschaftler führen eine lange Liste von Vorwürfen an, die von der Zwangsumsiedlung von 2,3 Millionen Palästinensern über die Zerstörung von 90 Prozent der Wohninfrastruktur bis hin zur gezielten Vernichtung kultureller Einrichtungen reicht.
Besonders brisant erscheint der Vorwurf, Premierminister Benjamin Netanyahu unterstütze Pläne zur dauerhaften Vertreibung aller Palästinenser aus dem Gaza-Streifen ohne Rückkehrrecht. Die IAGS wirft Israel vor, bewusst lebensfeindliche Bedingungen zu schaffen – durch die Zerstörung von Nahrungsmittelproduktion und die Verweigerung humanitärer Hilfe.
Die Definition macht den Unterschied
Nach der Genozid-Konvention von 1948 liegt Völkermord vor, wenn Handlungen mit der "Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören" begangen werden. Die IAGS sieht diese Kriterien als erfüllt an. Doch genau hier beginnt die Kontroverse: Wie lässt sich eine solche Absicht zweifelsfrei nachweisen?
"Die Vereinigung glaubt, dass es von erheblicher Bedeutung ist, wenn die größte Gruppe von Genozid-Forschern sagt: 'Ja, wir glauben, das ist Genozid'", erklärte Timothy Williams, zweiter Vizepräsident der IAGS und Professor an der Universität der Bundeswehr München.
Israels scharfe Reaktion und berechtigte Kritik
Das israelische Außenministerium reagierte erwartungsgemäß scharf auf die Resolution. Die Erklärung sei "schändlich" und basiere "vollständig auf der Lügenkampagne der Hamas". Besonders pikant: Israel wirft den Wissenschaftlern vor, erstmals in der Geschichte würden "Genozid-Forscher" das eigentliche Opfer eines Genozids beschuldigen – eine Anspielung auf den Holocaust.
Tatsächlich wirft die niedrige Beteiligung von nur einem Viertel der IAGS-Mitglieder Fragen auf. Sara Brown, selbst IAGS-Mitglied und Leiterin des Zentrums für Holocaust-, Menschenrechts- und Genozid-Bildung, kritisierte das Vorgehen scharf. Die Resolution sei ohne vorherige Online-Debatte zur Abstimmung gebracht worden – ein Verstoß gegen ursprüngliche Zusagen.
Die politische Instrumentalisierung der Wissenschaft
Was hier geschieht, ist symptomatisch für eine beunruhigende Entwicklung: Die zunehmende Politisierung akademischer Institutionen. Wenn Wissenschaftler zu moralischen Richtern werden und komplexe geopolitische Konflikte in simple Gut-Böse-Schemata pressen, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit als neutrale Beobachter.
Die Liste der Organisationen, die Israel des Genozids beschuldigen – von Amnesty International über Human Rights Watch bis hin zu UN-Sonderberichterstattern – liest sich wie ein Who's Who der internationalen Menschenrechtsindustrie. Doch Quantität ersetzt nicht Qualität der Beweisführung.
Die Gefahr einseitiger Betrachtungen
Besonders bedenklich erscheint, dass die Resolution offenbar ohne ausgewogene Debatte zustande kam. Die geringe Beteiligung deutet darauf hin, dass viele Mitglieder sich der Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst waren und sich enthielten. Andere fühlten sich möglicherweise nicht qualifiziert genug – eine erstaunliche Aussage für Genozid-Forscher, die sich mit dem "größten Genozid-Debatte seit Generationen" nicht auseinandergesetzt haben sollen.
Die Trump-Administration hat bereits mit Sanktionen gegen vier Mitglieder des Internationalen Strafgerichtshofs reagiert. Außenminister Marco Rubio bezeichnete das Haager Gericht als "nationale Sicherheitsbedrohung" – eine Reaktion, die zeigt, wie sehr dieser Konflikt die internationale Ordnung erschüttert.
Was bleibt von wissenschaftlicher Objektivität?
Die IAGS-Resolution wirft fundamentale Fragen auf: Können Wissenschaftler in hochpolitisierten Konflikten überhaupt noch objektiv urteilen? Oder werden sie unweigerlich zu Partei in einem Propagandakrieg, in dem Wahrheit das erste Opfer ist?
Israel kämpft seit seiner Gründung um seine Existenz, umgeben von Feinden, die seine Vernichtung offen propagieren. Dass ausgerechnet jene, die sich professionell mit Genozid beschäftigen, nun das Land der Holocaust-Überlebenden des Völkermords bezichtigen, hat eine bittere Ironie.
Die wahre Tragödie liegt darin, dass solche einseitigen Verurteilungen keinem Frieden dienen. Sie verhärten die Fronten, delegitimieren berechtigte Sicherheitsinteressen und machen Kompromisse unmöglich. Wenn Wissenschaft zur Waffe wird, verlieren am Ende alle – vor allem jene, die wirklich unter dem Konflikt leiden.
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