
Bau-Turbo der Ampel-Nachfolger: Demokratie und Umwelt auf der Strecke?
Die neue Große Koalition unter Friedrich Merz treibt ein umstrittenes Prestigeprojekt voran, das bereits unter der gescheiterten Ampel-Regierung für heftige Debatten sorgte. Der sogenannte "Bau-Turbo" soll Bauverfahren drastisch beschleunigen - von teilweise fünf Jahren auf gerade einmal zwei Monate. Was auf den ersten Blick nach dringend benötigter Entbürokratisierung klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als gefährlicher Angriff auf demokratische Grundprinzipien und Umweltschutz.
Bürgerbeteiligung wird zur Farce
Besonders alarmierend erscheint die drastische Verkürzung der Einspruchsfristen für Anwohner. Katalin Gennburg, baupolitische Sprecherin der Linken, bringt es auf den Punkt: "Hier wird die Axt angelegt an demokratische Beteiligung in der räumlichen Planung." Diese Einschätzung teilen mittlerweile sogar Teile der Grünen, die einst selbst Teil der Ampel-Koalition waren.
Die SPD-Bauministerin Verena Hubertz versucht die Kritik mit dem Argument zu entkräften, Bürgerbeteiligung dürfe nicht "bis ins Ultimo getrieben werden". Eine bemerkenswerte Aussage, die offenbart, wie wenig Wert die aktuelle Regierung auf die Stimme der Bürger legt. In Zeiten, in denen das Vertrauen in die Politik ohnehin auf einem historischen Tiefstand ist, sendet diese Haltung ein fatales Signal.
Grünflächen als Bauopfer
Stefan Petzold vom Naturschutzbund NABU warnt eindringlich vor den Folgen für städtische Grünflächen. Seine Bedenken sind mehr als berechtigt: Während die jüngsten Hitzewellen deutlich zeigten, wie wichtig Parks und Wälder für das Stadtklima sind, drohen diese nun dem Bauboom zum Opfer zu fallen. "Jeder, der in den Stadtwald geht, merkt sofort: Hier ist es direkt acht, zehn Grad kühler", erklärt Petzold. Diese natürlichen Klimaanlagen könnten bald der Vergangenheit angehören.
"Wir sehen, dass die Beschneidung von Bürgerbeteiligung ein riesiges Problem ist. Weil die Menschen gerade die Demokratie vermissen. Das heißt, sie brauchen eigentlich mehr Beteiligung und nicht weniger."
Zwei Millionen Wohnungen stehen leer
Besonders pikant: Während die Regierung neue Betonwüsten plant, stehen fast zwei Millionen Wohnungen in Deutschland leer. Dazu kommen unzählige Gewerbeflächen, die problemlos zu Wohnraum umfunktioniert werden könnten. Der NABU-Experte verweist auf das "gigantische Potential" eingeschossiger Supermärkte, die aufgestockt werden könnten. Ein Konzept der "Stadt der kurzen Wege", das nicht nur nachhaltiger wäre, sondern auch dem demografischen Wandel Rechnung trüge.
Cui bono? Die Baubranche jubelt
Während Umweltschützer und Demokratie-Verfechter Sturm laufen, reibt sich die Baubranche die Hände. Sie kann mit einer Flut neuer Aufträge rechnen - auf Kosten von Bürgerbeteiligung und Umweltschutz. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier einmal mehr Lobbyinteressen über das Gemeinwohl triumphieren.
Die neue Große Koalition setzt damit nahtlos die verfehlte Politik ihrer Vorgänger fort. Statt innovative Lösungen für die Wohnungskrise zu entwickeln, wird auf Beton und Beschleunigung gesetzt. Die Rechnung werden künftige Generationen zahlen müssen - in Form von überhitzten Städten ohne Grünflächen und einer weiter erodierten Demokratie.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Was als "Bau-Turbo" verkauft wird, könnte sich als Demokratie-Bremse entpuppen. Wenn Bürgerbeteiligung erst einmal als lästiges Hindernis abgestempelt wird, ist der Weg zu weiteren Einschränkungen nicht mehr weit. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Politik ohnehin schwindet, sendet die Regierung genau das falsche Signal.
Es bleibt zu hoffen, dass sich genügend Widerstand formiert, um dieses Vorhaben noch zu stoppen. Denn eines ist klar: Wohnraum schaffen darf nicht bedeuten, Demokratie und Umwelt zu opfern. Deutschland braucht intelligente Lösungen, keine Brechstangen-Politik.