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18.03.2024
13:00 Uhr

EU-Lieferkettengesetz: Massive Abschwächung als politisches Armutszeugnis

EU-Lieferkettengesetz: Massive Abschwächung als politisches Armutszeugnis

In einer bemerkenswerten Wendung der Ereignisse wurde bekannt, dass das ursprünglich ambitionierte EU-Lieferkettengesetz nun in einem Maße abgeschwächt wurde, dass es 70% weniger Unternehmen als zuvor umfassen wird. Dieser Schritt, der als Zugeständnis an die wirtschaftlichen Interessen einzelner Mitgliedsstaaten gesehen werden kann, wirft ein kritisches Licht auf die politische Entschlossenheit der Europäischen Union, grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards in globalen Lieferketten durchzusetzen.

Stimmen aus der Wirtschaft überwiegen menschenrechtliche Bedenken

Durch die Anhebung des Schwellenwertes für den Jahresumsatz von Unternehmen auf 450 Millionen Euro, die unter das Gesetz fallen, werden laut neuesten Daten, die Euractiv einsehen konnte, nur noch 5.421 Unternehmen von der Regelung betroffen sein. Die Abschwächung des Gesetzesentwurfs erfolgte trotz der vorherigen Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat im Dezember, die eine deutlich höhere Anzahl von Unternehmen einschloss.

Deutschland profitiert, Europa verliert

Insbesondere Deutschland scheint von dieser Änderung zu profitieren, da nun 65% weniger inländische Unternehmen von dem Gesetz betroffen wären. Dies verdeutlicht, wie nationalstaatliche Interessen über das kollektive europäische Wohl gestellt werden und wie die deutsche Wirtschaftspolitik scheinbar erfolgreich Lobbyarbeit auf europäischer Ebene betrieben hat.

Italien und Frankreich setzen sich durch

Die Reduzierung der betroffenen Unternehmen in Italien und Frankreich um 67% bzw. 57% zeigt ebenfalls, dass die wirtschaftlichen Interessen dieser Länder in den Verhandlungen übermächtig waren. Die Entscheidung liegt in den Händen von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Präsident Emmanuel Macron, die offenbar die Bedenken ihrer nationalen Industrien über die Notwendigkeit einer strengen Regulierung gestellt haben.

Zwangsarbeitsverordnung unter Druck

Die parallele Billigung der Zwangsarbeitsverordnung (Forced Labour Regulation, FLR) durch die Sonderbeauftragten der EU-Mitgliedstaaten könnte zwar den Druck auf die zögernden Länder erhöhen, das Lieferkettengesetz ebenfalls zu billigen, doch bleibt fraglich, ob dies ausreicht, um eine kohärente und effektive Politik zu gewährleisten. Die FLR zielt darauf ab, mit Zwangsarbeit hergestellte Produkte vom europäischen Markt zu verbannen, doch ohne ein starkes Lieferkettengesetz wird ihre Durchsetzung stark eingeschränkt sein.

Kritische Stimmen warnen vor Inkohärenz

Experten warnen vor einer inkohärenten Botschaft an die Unternehmen, sollten die EU-Mitgliedsstaaten nicht geschlossen hinter beiden Regelwerken stehen. Die Schwächung des Lieferkettengesetzes könnte die Wirkung der Zwangsarbeitsverordnung massiv beeinträchtigen, da sie eng miteinander verknüpft sind.

Schlussfolgerung: Ein Schritt zurück für Europa

Die Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wirtschaftliche Interessen und nationalstaatliche Egoismen noch immer im Vordergrund der europäischen Politik stehen. Die Entscheidung, weniger Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, untergräbt die Bemühungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in globalen Lieferketten effektiv zu bekämpfen. Es bleibt zu hoffen, dass die Mitgliedsstaaten ihre Verantwortung erkennen und sich für eine Stärkung des Gesetzes einsetzen, um ein Europa zu schaffen, das seine Werte nicht nur propagiert, sondern auch lebt.

Quelle: SOMO mit einigen Daten von Orbis und Eurostat [Bearbeitet von Alice Taylor/Kjeld Neubert]

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